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UN-Referendum in den Sand gesetzt

Kofi Annan hält eine Abstimmung über die Zukunft der von Marokko besetzten Westsahara für derzeit nicht durchführbar

Ein Abzug der insgesamt 311 UN-Blauhelmsoldaten könnte zur Destabiliserung der gesamten Region führen

Madrid (taz) – „Der Zeitplan ist nicht mehr gültig“, erklärte UN-Generalsekretär Kofi Annan und stornierte die Vorbereitungen für ein Referendum über die Zukunft der seit 1976 von Marokko besetzten Westsahara. „Die Ereignisse in den letzten neun Jahren seit dem Waffenstillstand, und vor allem die der letzten Monate, sind Grund zur ernsthaften Besorgnis und lassen echte Zweifel darüber aufkommen, ob es möglich sein wird, die von beiden Seiten getroffenen Vereinbarungen umzusetzen“, heißt es im letzten Bericht Annans über die Lage in der ehemalige spanische Kolonie an den UN-Sicherheitsrat.

Die Verzögerungstaktik Marokkos zeigt ihre Wirkung. Einmal mehr scheiterte die UN an der Frage der Wahlberechtigten. Während die Befreiungsbewegung Polisario die im Januar veröffentlichte 86.381 Personen umfassende Wählerliste für das Referendum anerkennt, hat Marokko insgesamt 140.000 Widersprüche eingelegt. Rabat besteht weiterhin darauf, Personen in den Zensus aufnehmen zu lassen, obwohl sie nachweislich nicht zur ursprünglichen, sahrauischen Bevölkerung gehören. Anstatt, wie mit der Veröffentlichung der Listen vorgesehen, einen Termin für die Abstimmung im umstrittenen Landstrich an Afrikas Nordwestküste bekannt zu geben, musste die UNO 14 Büros zur Bearbeitung der Widersprüche einrichten. Wann sie abgearbeitet sein werden, und was dann geschieht, das weiß auch Annan nicht zu sagen.

„Das soll allerdings nicht heißen, dass wir die Volksabstimmung für gescheitert erklären“, versucht der UN-Generalsekretär die Polisario und mit ihr die über 155.000 Sahrauis in den Flüchtlingscamps im südwestalgerischen Tindouf zu beschwichtigen. Er will in den nächsten Wochen erneut den ehemaligen US-Außenminister James Baker als Sonderermittler in die Region schicken. Baker hatte vor knapp 18 Monaten mit Polisario und Marokko ausgehandelt, die Wähleridentifizierung nach mehreren Jahren Stillstand wieder aufzunehmen.

Dies und das UN-Referendum in der ehemaligen portugiesischen Kolonie Ost-Timor letzten Sommer ließ die sahrauischen Flüchtlinge in den vier Zeltstädten in der algerischen Wüste auf einen endgültigen Durchbruch hoffen. Um so enttäuschter sind sie jetzt. Die Lage in den Camps wird von Tag zu Tag unerträglicher. Nach 25 Jahren sind die Trinkwasserbrunnen von immer schlechterer Qualität, und jetzt droht auch noch eine Hungersnot. „Die Lebensmittellager sind leer“, heißt es in einem vor wenigen Tagen von medico international verbreiteten Hilferuf an die Geberländer.

Der Vorsitzende der Polisario, Mohamed Abdelaziz, der kurz vor der Veröffentlichung von Annans Lagebericht eigens zur UNO nach New York gereist war, spricht angesichts der erneuten Stornierung des Wahlprozesses aus, was die meisten Flüchtlinge denken: „Entweder die UN führt das Referendum durch oder sie zieht ab.“ Was passieren soll, falls die 311 Blauhelme tatsächlich die Wüste verlassen? „Das könnte zur Destabilisierung der gesamten Region führen“, ist sich Abdelaziz sicher. Um darauf vorbereitet zu sein, hat er seine auf 30.000 Mann geschätzten Guerillatruppen angewiesen, erstmals seit 1991 die militärische Ausbildung wieder im großen Stile aufzunehmen und Manöver abzuhalten. Etwas, was weder der UN noch den marokkanischen Soldaten, die die Sandmauer besetzt halten, die Rabats Kriegsbeute sichern soll, verborgen blieb.

Reiner Wandler

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