piwik no script img

Schöner Wohnen statt weniger fliegen

■ Umweltminister Trittin will den Lärmschutz für Flughafenanwohner ausbauen – aber nicht auf Kosten der Fliegerei. Nachtschutzzonen statt Nachtflugverbot. Betroffene: Trittin hat „Angst vor eigener Courage“

Berlin (taz) – Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) will den Lärmschutz für Anwohner von Flughäfen verbessern. Dazu möchte er erstmals nach 29 Jahren das Fluglärmgesetz novellieren. In dem Eckpunktepapier, das das Umweltministerium nun den Kabinettskollegen sowie Verbänden zukommen lassen will, schlägt Trittin nach taz-Informationen eine Ausweitung der Lärmschutzzonen um die Flughäfen vor.

Außerdem plant der grüne Minister auch eine Regelung für einen besseren Schutz der Anwohner vor Lärm in der Nacht. Dazu sollen erstmals Nachtschutzzonen eingeführt werden: Wo ein Lärmpegel von mehr als 50 Dezibel (dB) vorherrscht, soll es künftig einen Anspruch auf einen Schallschutz im Schlafzimmer, der gleichzeitig eine Belüftung von draußen zulässt, geben.

Künftig sollen die Lärmschutzzonen so ausgewiesen werden, dass jeder Anwohner ein Anrecht auf vom Flughafenbetreiber bezahlte Lärmschutzmaßnahmen am Haus hat, sobald der Dauerlärmpegel 65 dB übersteigt. Dies ist der Wert, ab dem laut Umweltministerium ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten vorliegt. Bislang besteht dieser Anspruch erst ab einem etwa doppelt so lauten Pegel (75 dB). Damit würde die Novelle erstmals einen wirklichen Gesundheitsschutz gewährleisten.

Es ist aber wahrscheinlich, dass der Entwurf in den Ressortabstimmungen noch verwässert wird. Trittin spricht selbst von einem „steinigen Weg“. Insbesondere der Finanzminister könnte ein Interesse an höheren Lärmpegeln haben, weil die Novelle erstmals auch für die Militärflughäfen gelten soll. Für Lärmschutzmaßnahmen müsste dort der Bund aufkommen. Aber auch das Wirtschaftsministerium wird quer schießen.

Jens Ortscheid, Lärmexperte des Umweltbundesamtes (UBA), begrüßte die Eckpunkte Trittins als „einen Schritt in die richtige Richtung“. Er bemängelte allerdings, dass die Maßnahmen allein auf dickere Fenster und Schallschutz an den Häusern hinausliefen. Außerdem vermisst Ortlieb Entschädigungsregelungen für Anwohner, die durch den Flugbetrieb ihre Vorgärten nicht mehr richtig nutzen können, wie das beim Straßenbau üblich ist. Auch vermisste er Sonderregeln für neu gebaute Flughäfen. „Da brauchen wir mindestens 5 Dezibel schärfere Lärmpegel“, sagt Ortscheid. „Immerhin muss man bei einem Lärmpegel von 60 Dezibel schon gegen die Flugzeuge anbrüllen.“

Auch Joachim Hans Beckers, Vizepräsident der Bundesvereinigung gegen Fluglärm, begrüßt die Richtung, vermisst aber ein Nachtflugverbot. „Die größte Gesundheitsgefährdung geht von Nachtflügen aus“, so Beckers, dessen Vereinigung ein Netz von Städten, Gemeinden und Schutzvereinigungen vertritt. „Die haben wieder einmal Angst vor der eigenen Courage.“

Dickere Fenster helfen natürlich nicht, wenn man seinen Garten benutzen will. „Der entscheidende Mangel am bestehenden Gesetz ist, dass es keinen Grenzwert für den Fluglärm gibt“, sagt Beckers. „Das wird offensichtlich auch dieses Mal nicht behoben.“

Ein Lärmpegel von 65 dB entspricht etwa dem Lärmpegel tagsüber an einer größeren Straße. Es handelt sich um einen gemittelten Wert – bezogen auf Fluglärm hieße das also, dass bei 65 dB die einzelnen Flugzeuge deutlich lauter, aber nicht so durchgehend zu hören sind.

Matthias Urbach

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen