: Wo steckt Unita-Chef Jonas Savimbi?
Seit Angolas Regierungstruppen das Unita-Hauptquartier erobert haben, ist ihr Führer verschwunden ■ Von Kordula Doerfler
Johannesburg (taz) – Seit vor mehr als einem Jahr der Bürgerkrieg in Angola erneut aufgeflammt ist, wird über das Schicksal von Jonas Savimbi, Chef der Rebellenbewegung Unita, spekuliert. Ist er überhaupt in Angola oder vielleicht in einem anderen afrikanischen Land? Sitzt er irgendwo im unzugänglichen Busch? Verlässliche Nachrichten gibt es schon lange keine mehr in Angolas Hauptstadt Luanda. Zudem hat die Regierung eine Nachrichtensperre für alles verhängt, was mit dem Krieg zu tun hat.
Neue Nahrung erhielt die Gerüchteküche, als Savimbis langjährige Hauptquartiere Bailundo und Andulo im vergangenen September von Regierungstruppen eingenommen wurden. Die Rebellentruppen zogen sich noch tiefer ins Landesinnere zurück und führen seither wieder einen reinen Guerillakrieg. Seitdem gedeihen erst recht die Gerüchte, Savimbi liege schwer verletzt irgendwo im Busch. Oder ist er gar tot?
Angolas Regierung von Eduardo dos Santos lässt den Rebellenchef per Haftbefehl als Kriegsverbrecher suchen. Nach ihrem militärischen Erfolg verkündete der Chef der Streitkräfte, General Joao de Matos, immer wieder gern einmal, man wisse genau, wo Savimbi stecke und könne ihn jederzeit gefangen setzen. Sollte dies aber tatsächlich passieren, wäre dies das Ende von Unita. Nur mit Terror hält Savimbi die Rebellen noch zusammen. Fällt er, zerfiele auch die Unita sofort in ihre zerstrittenen Fraktionen.
Kurz vor Weihnachten musste de Matos dann auf einer bombastisch angekündigten Pressekonferenz einräumen, man habe den Erzfeind immer noch nicht geschnappt. „Wir wissen aber wo er ist und verfolgen ihn.“ Auch das scheint nun aber nicht mehr so sicher. „Savimbi lebt und er ist in Angola“, ließ ein Sprecher des Verteidigungsministeriums im Januar vage verlauten. Von einer baldigen Gefangennahme ist seither nicht mehr die Rede.
Nach Behauptungen der Regierung bewegt sich Savimbi mit einer kleinen Truppe Handverlesener durch den Busch und verbringt jede Nacht an einem anderen Ort. Unter vielen anderen Versionen ist das die derzeit wahrscheinlichste. Savimbi, der seit fast 30 Jahren Krieg führt, ist ein Meister der Guerillataktik und des Verstekkens. Beides lernte er Anfang der 60er-Jahre im maoistischen China und rettete ihm immer wieder das Leben. Schon 1976, als er aus seinem damaligen Hauptquartier Huambo fliehen musste, verschwand er im Busch. Monate später richtete er mit Hilfe des südafrikanischen Apartheid-Regimes in Jamba im Südosten des Landes ein neues Hauptquartier ein. Weil die Streitkräfte vermuten, dass er sich erneut dort aufhalten könnte, hat die Armee in den vergangenen Monaten dort ihre Angriffe intensiviert und auch das benachbarte Namibia mit in den Krieg hineingezogen.
Im August gab Savimbi sein bisher letztes Interview
Savimbi aber hat in dieser Zeit niemand gesehen. Sein letztes Interview gab er im vergangenen August der britischen BBC – über Satellitentelefon. Niemand weiß, wo er sich dabei aufhielt. Dass der katholische Sender Radio Ecclesia in Angola und sogar der staatliche Rundfunk es wagten, das Interview zu senden, brachte die Regierung so in Rage, dass sie fast ein Dutzend Journalisten verhaften ließ. Seitdem hat niemand mehr mit Savimbi gesprochen.
Jegliche Verständigung mit ihm war ohnehin längst zusammengebrochen. Trotz des 1994 unterzeichneten Friedensabkommens war es nie zu einem persönlichen Treffen zwischen Dos Santos und Savimbi in Angola gekommen. Der Rebellenchef fürchtete in Luanda um sein Leben und zog den Busch vor. Am Ende lehnte er sogar den Posten als Vizepräsident ab, der ihm nach jahrelangen Verhandlungen zugestanden worden war. Nur ein Jahr hielt die im April 1997 endlich gebildete gemeinsame Koalitionsregierung.
Der einzige Diplomat, der noch Zugang zu Savimbi hatte, war der UN-Sondergesandte Alioune Blondin Beye. Seitdem er jedoch im Juni 1998 bei einem bis heute nicht aufgeklärten Flugzeugabsturz auf mysteriöse Weise ums Leben kam, ist jede Kommunikation mit dem Rebellenchef abgebrochen. Beyes Nachfolger Diallo hat Savimbi nie gesehen. Kurz nach Beyes Tod eskalierte der Krieg wieder, wenige Monate später wurde die UN-Mission beendet.
Beide Seiten sind nun entschlossen, den Konflikt militärisch zu lösen. Die Regierung erhält neuerdings Rückendeckung von Großbritannien und den USA. Es wird gar vermutet, dass ihre etwas überraschenden militärischen Erfolge dem Zugang zu US-amerikanischen Satellitenbildern zu verdanken sind. Ein Ende des Krieges aber ist nicht in Sicht. Zwar ist Unita geschwächt, und unter den Zehntausenden von neuen Flüchtlingen im Nachbarland Sambia sind auch viele Unita-Anhänger. Militärexperten in Südafrika warnen aber, Savimbi könne noch jahrelang Guerillakrieg führen.
Beunruhigend ist auch die jüngste Ausweitung des Krieges nach Namibia. Seit dessen Präsident Sam Nujoma mit einer Zwangsrekrutierung im Norden droht, könnte Namibia vollends in den Angola-Krieg gezogen werden. Gespannt bleibt auch Angolas Verhältnis zu Sambia, das von der Regierung in Luanda verdächtigt wird, die Unita zu unterstützen. Im Unterschied zu Namibia erlaubt es Sambia Angolas Armee nicht, auch von seinem Territorium aus gegen die Unita zu kämpfen.
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