: Der Tod des Antonio Arguedas
Der Mann, der 1968 Che Guevaras Tagebuch und seine abgehackten Hände aus Bolivien nach Kuba schmuggelte, wurde in La Paz von einer Bombe zerfetzt ■ Von Bernd Pickert
Berlin (taz) – Die Bauchdecke aufgerissen, die Finger beider Hände zerfetzt. Nach einer lauten Explosion lag am Dienstagabend in Boliviens Hauptstadt La Paz ein Mensch in seinem Blut auf der Straße. „Robuste Gestalt, männlich, 1,75 Meter groß“, hieß es trocken im Polizeibericht. Der Name des Mannes laut Ausweis, der bei ihm gefunden wurde: Severo Lozano Lazcano. Bloß: Dieser Herr war, wie eine Überprüfung ergab, schon seit 18 Jahren tot. Tatsächlich handelt es sich bei der Leiche um eine der schillerndsten Persönlichkeiten der bolivianischen Geschichte: Antonio Arguedas, 71 Jahre alt.
1964 wurde Arguedas Innenminister des Putschgenerals René Barrientos. Zwei Jahre später begann Che Guevara seine glücklose Guerilla aufzubauen. Als Guevara im Oktober 1967 erschossen wurde, war Arguedas einer der wenigen, die wussten, wo der Leichnam verscharrt war. Mehr noch: Die abgeschnittenen Hände des Guerilleros, die Trophäe der Militärs, bewahrte Arguedas in seinem Schlafzimmer auf.
Selbst zu jener Zeit Mitarbeiter der CIA, löckte Arguedas gegen den übermächtigen Einfluss der USA in Bolivien den Stachel. 1968 sorgte er dafür, dass das Tagebuch und die Hände Che Guevaras nach Kuba gelangten. Das Militär tobte und beschuldigte Arguedas des Hochverrats – er musste das Land verlassen. Wenige Monate später kehrte er zurück, klagte, dass die CIA ihn umbringen wolle, und verließ 1969 Bolivien Richtung Kuba.
Ende der Siebzigerjahre kehrte Arguedas nach Bolivien zurück, arbeitete wieder als Rechtsanwalt. Doch Arguedas führte mindestens ein Doppelleben. Mitte der 80er-Jahre wurde er unter dem Tatverdacht der Entführung und Lösegelderpressung verhaftet. Arguedas behauptete, es handele sich bei seinen Aktivitäten um geheimdienstliche Operationen gegen den Drogenhandel – in den im übrigen auch die Regierung verstrickt sei. Für wen er arbeite, sagte er nicht. Er wurde freigelassen.
Das Geschäft mit den Entführungen blühte in Bolivien. Als 1998 eine solche Kidnapper-Bande ausgehoben wurde, gaben die Festgenommenen an, Arguedas sei ihr Anführer. Arguedas entzog sich derVerhaftung und tauchte unter. 1999 erschütterte eine Serie von Sprengstoffanschlägen, wenn auch ohne menschliche Opfer, die Hauptstadt. Auf einer Internetseite übernahm ein „Kampfkommando gegen Korruption, Kokain und Castrismus“, genannt 4 C, die Verantwortung. Als die Ermittlungsbehörden am Mittwoch die Wohnung Arguedas ausfindig machten, fanden sie dort Materialien zum Bombenbau und Pamphlete der 4 C. „Fall gelöst“, verkündete das Innenministerium, Arguedas sei die 4 C und habe sich selbst in die Luft gesprengt. Freunde Arguedas’ glauben das nicht. „Er konnte eine Bombe im Schlaf zusammenbauen und auseinander nehmen“, zitiert die bolivianische Presse. Noch in der Tatnacht versuchten zwei Männer, Arguedas’ Leiche zu entwenden. Sie konnten unerkannt entkommen.
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