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Green Cards für die Billig-Programmierer

Visa-Lockerungen gab es auch in den USA für EDV-Fachleute

Nick Davis träumte davon, seine eigene Softwarefirma zu gründen. In England, wo er zu Hause ist, hätte er den Plan vergessen können – kein Venture Capital, keine Partner, kein entsprechendes Business Environment. Er setzte seine Hoffnung auf Amerika. An eine Green Card aber, an eine begehrte Aufenthaltsgenehmigung zu kommen, die auch das Arbeiten erlaubt, war nicht leicht. Da tat sich eine Hintertür ins Gelobte Land auf.

Sie trägt die Aufschrift H1-B. Das ist die Bezeichnung für ein Visum besonderer Art. Mit ihm kommen Arbeiter ins Land, die die US-Industrie gerade braucht. Nick Davis ist Programmierer, und Seinesgleichen wird gesucht.

Vor zwei Jahren erschreckte die Computerindustrie die Öffentlichkeit mit Zahlen über Leerstellen und Arbeitskräftemangel. Die Information Technology Association of America (ITAA) beklagte einen Mangel von 350.000 Programmierern oder 10 Prozent der Arbeitsstellen in ihrem Bereich. Über die nächsten zehn Jahre würde der ungedeckte Bedarf auf 1,3 Millionen Programmierer anwachsen. Inder, Russen, Chinesen, Europäer müssten her. 1998 verabschiedete der Kongress ein Gesetz, das die Erhöhung der H1-B-Visa für das Haushaltsjahr 1999/2000 von 65.000 auf 115.000 erlaubt.

Zwischen Nick Davis und seinem Traum von einer eigenen Firma stehen fünf Jahre. In dieser Zeit sitzt er in einer kleinen Softwareschmiede in Seattle neben Indern, Philippinern, Chinesen und programmiert. Er verdient gut die Hälfte des Gehalts seiner fest angestellten amerikanischen Kollegen. Eigentlich könnte er jederzeit wechseln, aber das darf er nicht, denn dann würde er seinen Anspruch auf eine Green Card, die im Übrigen lila ist, verlieren.

Kritiker haben schon vor zwei Jahren der Computerindustrie vorgeworfen, dass sie Panik macht, dass ausreichend Programmierer Arbeit suchen, dass die Industrie aber lieber Ausländer einstellt und geringere Löhne bezahlt.

„Es gibt keinen Mangel an Programmierern, sondern nur an billigen Programmierern“, sagt Barb Cole-Gomolski, Fachfrau für Entwicklungen auf dem Hightech-Arbeitsmarkt. Microsoft zum Beispiel vergibt Arbeit an nur vier Prozent der Bewerber und stellt letztlich nur zwei Prozent davon ein (andere Arbeitskräfte werden auf Zeit oder als selbstständige Subunternehmer beschäftigt).

Das H1-B-Visum ist ein gigantisches Sozialhilfeprogramm für die Industrie, sagt Nick Davis. „Noch ist es billiger für die Industrie, Programmierer zu importieren, als die Arbeitsaufträge nach Indien zu vergeben, aber auch das wird schon gemacht.“

Nick Davis ist derweil ganz zufrieden. In ein paar Jahren ist er fertig und hat Kontakte geknüpft. Den Standort für seine Firma hat er sich schon ausgesucht: Denver am Fuße der Rocky Mountains. In England haben ihm immer die Berge gefehlt.Peter Tautfest, Washington

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