: Bahnhof Zoo: Sauber, ruhig und friedlich
■ Afrikaner, die zum ersten Mal in Berlin sind, beschreiben den Bahnhof. Sie wundern sich, dass die Frauen Hosen tragen, die Schlangen kurz sind und die Menschen kaum miteinander reden
Der Bahnhof Zoo wirkt mit den vielen geschäftigen Menschen wie ein Bienenstock. Es gibt Verbindungen zu allen großen Städten in Deutschland. In der Eingangshalle sind vor einem großen Bildschirm viele Menschen versammelt, um sich ein Fahrradrennen anzusehen. Daneben malen zwei junge Männer Bilder auf das Pflaster, andere hängen herum.
Zwei Polizisten sind ständig auf Kontrollgang. Unter den Reisenden sind Männer und Frauen. Einige junge Männer tragen Rucksäcke, die meisten Menschen haben nur leichtes Gepäck bei sich. In der großen Halle sind 15 der 32 Schalter offen, davor stehen meist nur wenige Menschen an. Es gibt mehr als zehn Geschäfte sowie verschiedene Möglichkeiten, Mahlzeiten einzunehmen: in einem Restaurant, einem Schnellimbiss, einer Suppenküche.
Die ersten beiden Einrichtungen sind im Hauptgebäude, die Suppenküche befindet sich links vom hinteren Eingang. Wir finden den Bahnhof sehr sauber, ruhig und friedlich, obwohl dort so viele Menschen unterwegs sind. Zu Hause in Tansania ist es auf den Bahnhöfen chaotischer und voller.
Das Restaurant
Im ersten Stock des Bahnhofs gibt es ein geräumiges Restaurant. Durch eine Eingangshalle mit Auslagen kommt man in das Restaurant, in einen großen Raum mit zwei Pfeilern, gefliestem Boden und einer Holzdecke. Auch die Wand ist mit Holz getäfelt, darüber hängen Bilder von alten Bahnhöfen. Die Theke an der Wand ist aus Holz und Glas. Dort wartet die Bedienung, zwei Kellnerinnen und ein Kellner. Durch die großen Fenster sieht man die Busstation vor dem Bahnhof und den Zoologischen Garten. Künstliche grüne Pflanzen vermitteln einen freundlichen Eindruck. Wir sitzen gerne hier.
Der Raum hat drei Tischreihen, am Fenster sieben Tische mit vier Stühlen, in der Mitte vier Tische mit zwei Stühlen und an der Wand vier Tische mit Stühlen und Bänken, auch vor der Theke stehen vier Tische mit zwei Stühlen, wahrscheinlich für Paare. Nur an drei Tischen sitzen Gäste, so wirkt der Raum ziemlich leer.
Während der 40 Minuten, die wir ab 13.30 Uhr hier sind, zählen wir nur 16 Gäste, meist ältere Leute, die vielleicht schon im Ruhestand sind und dort Freunde treffen. Die meisten haben nur Getränke bestellt und unterhalten sich. Die Preise der Getränke reichen von 3,50 bis 8 Mark. Mahlzeiten kosten bis über 20 Mark. Wir finden den Platz ruhig und gut für Gespräche und Feste geeignet. Ein solches Restaurant findet man in den Bahnhöfen in Tansania nicht.
Der Schnellimbiss
Schon in der Nähe riecht es besonders gut, die Angebote sind so attraktiv, dass man verführt wird, sich etwas zu kaufen. Der Schnellimbiss hat mehrere Abteilungen. Es gibt dort Crepes, Kuchen, Eis, Hamburger, Pizza, Getränke.
Die Stände gruppieren sich im Halbkreis um eine zentrale Achse, davor sind Tische. Wir sind überrascht, dass die Tische keine Stühle haben, das gibt es in unserem Land nicht. Wir haben den Eindruck, dass dies so ist, damit die Kunden, nachdem sie gegessen haben, möglichst schnell wieder gehen.
Viele Tische sind so angeordnet, dass man durch die Fenster nach draußen auf die Bushaltestelle sehen kann. Die Leute essen im Stehen, wir beobachten fast keine Gespräche. Die meisten der Kunden sind alleine, wenige in Gesellschaft oder als Paare dort. Uns fällt auf, dass die meisten Kunden Hosen tragen, auch Frauen. Dies ist in unserem Land unüblich. Frauen, besonders wenn sie verheiratet sind, tragen selten Hosen.
Viele wirken wie Reisende, die gerade angekommen sind. Am beliebtesten scheinen Hamburger und Eiscreme zu sein. Die Preise reichen von 2 bis 3,50 Mark. Viele Menschen lassen sich eine Pizza einpacken.
Als wir dort um 15.30 Uhr zum ersten Mal vorbeikommen, sind nur wenige Leute da, die etwas kaufen, als wir später um 16.30 Uhr noch einmal vorbeikommen, sind dort etwa doppelt so viel Menschen. Wir haben den Eindruck, dass viele nach der Arbeit auf dem Weg nach Hause sind und noch schnell eine Mahlzeit zu sich nehmen. Die meisten Kunden sind Leute mittleren Alters, etwa gleich viel Männer wie Frauen.
Ein vielleicht vierjähriger Junge zieht seine Mutter von einem Stand zum anderen, wahrscheinlich will er alles haben, was da ist. Schließlich führt ihn seine Mutter weg. Auch wir wollen etwas kaufen, finden es jedoch schwierig, uns zu entscheiden, sodass wir schließlich gar nichts kaufen.
Die Suppenküche
Auf der Rückseite des Bahnhofs, an einer wenig besuchten Straße, gibt es eine Suppenküche der Bahnhofsmission. In dieser Straße gibt es keine Geschäfte oder andere Angebote. Nur einige Autos parken dort, sodass die Menschen, die sich dort anstellen, um eine freie Mahlzeit zu bekommen, wenig beachtet werden. An den Wänden der Suppenküche gibt es Informationen für Obdachlose über medizinische Versorgung, Drogenberatung, Schlafplätze sowie persönliche Mitteilungen.
Hier sehen wir drei verschiedene Altersgruppen: Jugendliche unter 20, Menschen im Alter von etwa 30 Jahren, 50-Jährige und Ältere. Es gibt mehr Männer als Frauen. Wir sehen dort auch eine junge Frau mit einem Kind, das vielleicht zwei oder drei Jahre alt ist. Die Menschen wirken nicht arm und obdachlos, sondern im Vergleich mit Armen in Tansania gut gekleidet und gut genährt.
Einige der Kunden drehen ihr Gesicht zur Wand. Offensichtlich wollen sie nicht erkannt werden und schämen sich, dass sie sich eine freie Mahlzeit holen. Besonders die Älteren essen hastig und verlassen den Platz schnell. Einige Jugendliche setzen sich dagegen in Gruppen gemütlich auf den Fußboden, um zu essen und zu trinken. Sie bleiben etwa eine Dreiviertelstunde und unterhalten sich.
Wir sehen einige Menschen, die eine zweite Portion holen. Die nehmen sie mit – wohl für ihr Abendessen. Vielleicht wollen sie Geld sparen für Miete oder für Kleidung. Einige Männer scheinen mit den Angestellten der Bahnhofsmission bekannt zu sein, sie fragen gleich nach einer doppelten Portion und bekommen Brot und einge Joghurtbecher.
Jeder, der sich anstellt, bekommt etwas, es wird kein Ausweis verlangt.
Wir beobachten, dass einige sogar danach gefragt werden, welche Brotsorte sie haben wollen. Auch zwei von uns stellen sich an und erhalten eine Mahlzeit. Gegen 15 Uhr erhalten die Kunden eine Suppe, gegen vier nur noch Joghurt und Brot, wahrscheinlich ist die Suppe dann alle.
Die Suppenküche bietet noch andere Hilfe: Ein Mann zeigt zum Beispiel seine abgetragenen Schuhe und erhält andere Schuhe. Wir haben den Eindruck, dass in Deutschland für die Armen gesorgt wird. Lambertha Mahai,
Mtumwa Chambala, Dismas
Mwaseba, Angela Ngowi.
Zusammenarbeit mit Christa
Händle, Max-Planck-Institut
für Bildungsforschung
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