Das fröhliche Ausgrenzungsspiel

Der Kulturjournalist Florian Illies macht Vorschläge zu einer aktuellen Selbstverständigungsdebatte. Er beschreibt die „Generation Golf“. Oder war es die Generation Nutella? Sein Buch kann sich nicht recht entscheiden, ob es Farce oder Kuckucksei sein will ■ Von Dirk Knipphals

Baby, you can drive my car.

The Beatles

Irgendwo da draußen muss es eine florierende Generationenmanufaktur geben. Man kann nämlich durchaus den Eindruck bekommen, dass jede Saison neue, windschnittige Generationenmodelle wie am Fließband produziert werden. Jedenfalls war die Karriere des Begriffs Generation erstaunlich, wenn auch nur auf den ersten Blick.

Bereits auf den zweiten allerdings kann man feststellen, dass es für Mittelstandskinder wie dich und mich einfach auf der Hand lag, eigene Anliegen mit Hilfe der Konstruktion eines generationstypischen Wir-Gefühls zu artikulieren. Schließlich stand eine Generation fest wie ein Fels in der Brandung der gesellschaftlichen Unübersichtlichkeit. Wir reden hier, na klar, von den 68ern. An ihnen konnten sich die nachfolgenden Jahrgänge bewusstseinstechnisch bequem abarbeiten. Sei es durch die Verwendung von Kampfbegriffen in der Auseinandersetzung um die gesellschaftliche Hegemonie; die Generation der 78er, der 89er und die Generation Berlin gehören hier wohl her. Oder sei es, indem man in den 68ern die Verursacher der eigenen Zukunftsangst und Verwirrung vermutete, wie es die Generation X und die Generation @ taten.

Tatsächlich also braucht man der ganzen scheinbaren Buntheit der Generationenbegriffe in den 90er-Jahren nur wenig Gewalt anzutun, um sie zu einem schlichten Schwarzweißbild zusammenschnurren zu lassen. Alle Generationenbegriffe treffen sich in einem Punkt: Sie konkurrieren um die beste Konkurrenz zur 68er-Generation, die dafür als, wenn auch negativer, Bezugspunkt darauf folgenden Generationen erhalten bleibt. Was natürlich, wenn man bedenkt, dass es weiten Teilen der 68er-Generation um die Schaffung einer konkurrenzlosen Gesellschaft zu tun war, eine zutiefst ironische Situation ist; aber das nur nebenbei.

Nun tummelt sich also eine neue Generation auf dem Markt der Selbstverständigungsdiskurse. Sie heißt, etwas seltsam, Generation Golf, stammt aus der Feder des 28-jährigen FAZ-Feuilletonredakteurs Florian Illies und könnte genauso gut Generation Nutella, Generation „Wetten, dass ...“, Generation Ikea oder Playmobil-Generation heißen. Mit diesen Markennamen und dieser Abendshow sind, wirklich wahr, Kristallisationspunkte bezeichnet, die Florian Illies für seine Generation für konstitutiv hält.

Es besteht einiger Anlass, dieses Buch für die Farce zu halten, die auf die allzu ernsthaften oder wehleidigen Generationsdebatten der vergangenen Jahre folgen musste. Über weite Strecken witzelt sich Illies durch die heutigen Zeichensysteme aus Mode, Freizeitverhalten, Inneneinrichtung und Gymnasiastenjugend in einer Kleinstadt, dass man das Buch nur als Parodie begreifen kann. Wer es in allen Punkten ernst nimmt, ist ihm auf den Leim gegangen. Aus einem Rückblick auf die Jugend: „Damals hatten weder Calvin Klein noch Armani die Brillengestaltung für sich entdeckt. Ja, die Brille war damals leider fast der einzige Bereich, wo es noch nicht möglich war, etwas mit Namenszug zu kaufen.“ An solchen Stellen kippt die Selbstbeschreibung in den Slapstick.

Doch sollte man dieses Buch auch nicht zu leicht nehmen. Was hier vorliegt, ist eine neue Generation von Generationenbüchern. Illies schreibt mit einer Chuzpe, für die 68 kein Stachel, kein Anziehungspunkt und keine Herausforderung mehr darstellt. Und es ist doch schon interessant zu erfahren, was die Mitte-Ende-Zwanzigjährigen stattdessen so umtreibt.

Naürlich kommt bei Illies 68 noch vor – sogar von Woodstock ist zweimal kurz die Rede –, aber ohne jede Erregung, scheinbar nur noch, weil sich die Abgrenzung gegen die Eltern- und Lehrergeneration eben gehört für ein Generationenbuch. Kritik an den Alt-68ern ist zum Stereotyp geronnen; unrasierte Frauenachseln, blödes Herumstehen bei Demos, müde Sozialpädagogenwitze und manches Klischee mehr spielt dabei eine Rolle. Die Vertreter der Rebellengeneration taugen hier nur noch zum Achselzucken. Sie stören nicht beim Einkaufen der bevorzugten Designermarken und beim Einrichten der ersten eigenen Altbauwohnung. Illies nimmt hier den Ball der jungen und jüngsten Popliteratur der vergangenen Jahre auf und übersetzt ihn in einen die meiste Zeit über selbstgewissen, man kann auch sagen: ignoranten Plaudersound.

Selbstverständlich betreibt Illies bei alldem das fröhliche, perfide Ausgrenzungsspiel, das in vielen Büchern seiner Generation vorkommt. Zugehören zu dem „Wir“, das er konstruiert, darf nur, wer sich vom Lifestyle und Outfit so wenig wie möglich unterscheidet. Wer will, kann an diesem Buch einiges entlarven, beispielsweise die Übernahme von Werbemechanismen in die Lebensgestaltung: Freunde findet man in dieser Sichtweise nur, wenn man die Vorliebe für bestimmte Markenprodukte teilt. Aber so eine Entlarvung wäre kaum abendfüllend. Das, was man da entlarven könnte, ist einfach zu evident.

Interessanter ist es da, auf die Klischees zu verweisen, die Illies gleichsam nebenbei unterläuft. Zum einen wäre da die Kritik der 68er-Kinder an ihren Eltern, die landauf, landab in den Literaturbesprechungen der vergangenen Monate fast zum eigenen Genre geworden ist. Dass die in Freiheitlichkeit und Wohlstand erzogenen Kinder zwar möglicherweise zu Vertretern der abgeklärten, konsumbewussten und selbstbezogenen neuen Mitte, nicht von sich aus zu Gefühlskrüppeln und Elementarteilchen werden, das ist doch gut zu wissen. Ob sie tatsächlich so konservativ werden müssen, wie Illies sie beschreibt, darüber kann man noch mal reden.

Noch ein zweites Klischee sieht nach der Lektüre alt aus. „Alle haben sich lieb, sind zehn Stunden gemeinsam exzessiv und sind am Montag wieder brave Staatsbürger. Müde zwar, aber pünktlich“, so schreibt er etwa über die Love Parade in Berlin. Das klingt doch ziemlich anders als die Erzählungen unserer Wochenmagazine, die rund um das Techno-Event regelmäßig zu kulturkritischer Hochform auflaufen und die angenommene Körperlichkeit der Jugend in freizügigen Hochglanzbildern feiern.

Wenn man seinen Hang zur Witzelei und die Stereotypen beiseite lässt, scheint es eher so zu sein, dass Illies, was seine Generation betrifft, den Ball niedrig hängen will. Und tatsächlich ist es so, dass mir keine Jugendbeschreibung bekannt ist, die so bieder und unsexy wirkt wie seine. Die Vertreter der Generation Golf, wie Florian Illies sie sieht, sehen viel fern – Harald Schmidt, „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ –, sie holen sich ihre Kicks beim Aktienkauf und Pauschalurlaub, haben keine Probleme, keine Fragen, keine Sorgen und auch keine großen Glückserwartungen über ein nett eingerichtetes Leben hinaus. Und man fragt sich, warum es für solche Mitmenschen einen neuen Begriff braucht. Dafür gab es bislang jedenfalls einen ganz guten Begriff. Man nannte sie Langweiler.

Florian Illies selbst hat sich übrigens mittlerweile von seinem eigenen Buch distanziert. Die Woche zitiert ihn dahingehend, dass er der Spaßgeneration seiner Altersgenossen nur ein Kuckucksei ins Nest legen wollte. In Wirklichkeit gehe es ihm, so legt die Woche nahe, doch darum, neue Ziele und gemeinsame Werte zu finden.

Das muss stutzig machen. Ist die Generation Golf, von der Illies immerhin das ganze Buche in Wir-Form redet, also doch nicht so selbstzufrieden und gemütlich eingerichtet in der Warenwelt, wie Illies es nahe legt? Wie auch immer: Es bleibt neben seinem Ansatz noch viel Platz für ehrliche und weniger larmoyante Bestandsaufnahmen der Lage.

Florian Illies: „Generation Golf. Eine Inspektion“. Argon Verlag, Berlin 2000. 220 Seiten, 34 DM