piwik no script img

beiseiteRechte Lieder

Beim altlinken „Festival des politischen Liedes“, das gestern in Berlin zu Ende ging, beschäftigte man sich auch mit neurechten Liedermachern. Einen Überblick gab die Jugendsozialarbeiterin Margitta Fahr, die regelmäßig von Schulen und anderen hilflosen Einrichtungen eingeladen wird, um mit den Jugendlichen über ihre musikalischen Vorlieben zu sprechen. Während die Öffentlichkeit dabei vor allem an aggressive Skinheadbands und Oi-Musik denkt, hat die studierte Ethnologin beobachtet, dass „nationale Balladen“ auf dem Vormarsch sind. Lieder zur Gitarre oder mit sanften folkigen Arrangements seien bei den 13- bis 15-Jährigen in Ostdeutschland ziemlich populär.

Fahr hat vor allem drei inhaltliche Schwerpunkte ausgemacht: historische Themen über das „Reich“ und seine Wehrmacht, religiöse Lieder mit neoheidnischem Inhalt sowie ideologische Verklärungen von Heimat, Volk und Vaterland. Szenekult- und Sauflieder fänden sich dagegen bei den Liedermachern weniger.

Der bekannteste Name in dieser Szene ist Frank Rennicke, der schon seit Ende der 80er-Jahre im Geschäft ist und ehemals Gauführer der Wikingjugend war. Konservativ und bieder im Stil spricht er ein generationenübergreifendes Publikum an. Ein regelrechter Hit ist sein Rührstück „Kleine Erika“ über den Tod eines junges Mädchens („warst mir so nah“). Margitta Fahr hat beobachtet, dass selbst harte Fascho-Jungs bei diesem Lied weinen. Allerdings verliere Rennicke in der Szene, so Fahr, inzwischen an Ansehen. Grund dafür sei seine Ablehnung der Skinhead-Kultur, die er als „ausländische“ Mode kritisiert: Glatzen sind für ihn kein „deutscher“ Haarschnitt.

Inzwischen gebe es aber auch Liedermacher mit Skinhead-Outfit. Anders als Rennicke kämen diese Newcomer der rechten Liederszene – neben Munin Daniel Eggers und Jörg Hähnel – fast durchgängig aus den neuen Ländern.

Der Ton der „nationalen“ Liedertexte ist überwiegend weinerlich bis pathetisch. Ironie kommt nicht vor, eine seltene Ausnahme ist nur Frank Rennickes Song über „Adis Ehrentag“, den 20. April. Wie am Ende des Liedes treuherzig versichert wird, handelt es sich bei „Adi“ um den österreichischen SPÖ-Politiker Adolf Schärf, der zufällig ebenfalls am 20. April Geburtstag hatte. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften hat sich mit der Indizierung dieses Stücks recht schwer getan.

Was die Faszination der rechten Liedermacher ausmacht, ist für den Außenstehenden schwer zu erfassen. Die Texte sind ungelenk („In alten Zeiten waren die Mädel wunderschön, auch ohne Solarium und Föhn“) und die musikalischen Möglichkeiten eher begrenzt. Für Margitta Fahr ist das durchaus Kalkül: „Das ist eben keine abgehobene und glatte Popkultur.“ Wenn die Rechten jetzt schon mit so etwas Erfolg haben, dann sind sie wohl wirklich auf dem Weg zur kulturellen Hegemonie. Christian Rath

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen