Einen Hieb nehmen gegen die Nervosität

In Wilmersdorf wurde zum fünften Mal die Speedway-Team-WM ausgetragen

Günter Bauer senior ist ein bisschen aufgeregt. Sein Sohn, der auch Günter heißt, rollt an den Start. Ein Mechaniker steht ihm bei: „Mensch Günter, du hast schon wieder den nervösen Blick, nimm erst mal einen Hieb.“ Ein Fläschchen Kümmerling soll sedieren. Er brauche halt ab und zu ein Tröpfchen, räumt der dicke Bayer ein, ganz so wie die Speedway-Maschinen auch.

Was die Motoren bekommen, damit sie wie geschmiert laufen, überrascht: Rizinusöl, jenes Heilmittel, das auf äußerst abrupte Weise entschlackt. Und in den Tank der 60-PS-Gefährte kommt Methanol. „Den kann man auch trinken“, verrät Bauer. „Aber nur sehr wenig, denn dann fällste um.“ Methanol ist in einer Dosis von 60 Gramm tödlich, was Bauer nicht von dem Fazit abhält: „Speedway ist der umweltfreundlichste Sport, den man sich vorstellen kann.“

Einer der gefährlichsten allerdings auch. Auf den Reifen sind jeweils 150 Spikes montiert, 28 Millimeter lang. Bauer sagt: „Wenn die Maschine läuft, dann ist das eine Kreissäge!“ Sie fräsen sich in das Eis der Wilmersdorfer Bahn, wo zum fünften Mal eine Mannschafts-Weltmeisterschaft ausgetragen wird. In den Kurven bieten die Spikes Halt; die Fahrer können sich auf ihren Stachelrädern mit 60 Grad hineinlegen. Auf den Geraden erreichen sie mehr als 100 km/h. Im Durchschnitt werden nach stehendem Start und vier Runden 90 km/h gefahren.

Das Eis leidet natürlich unter dem spitzen Reifenprofil. Deswegen hat der Eismeister die Eisschicht verdickt. Über zwei Wochen kreiste er mit seiner Maschine, um die üblichen 4 Zentimeter auf 16 zu verdicken. „Man könnte hier locker noch Schlittschuh laufen“, versichert er. Ein Blick auf die tiefen Furchen in der Bahn verrät: Das ist wohl etwas übertrieben.

Sieben Teams sind am Start. Die Russen sind die Besten, weil sie in Sibirien zehn Monate trainieren können. Schweden, Österreich und Deutschland liegen dahinter etwa gleichauf. Das Feld komplettieren Trios aus Tschechien, Holland und Finnland.

„Das Schlimmste war mal“, sagt Bauer junior, „dass ich mir das Schienbein und Wadenbein gebrochen habe und der Knöchel zertrümmert war.“ Und die Spikes? „Ach ja, am Oberschenkel habe ich eine Narbe.“ Aber sonst liebe er seinen Sport sehr.

Der Fahrer ist über eine Schnur am Handgelenk mit der Maschine, deren Getriebe nur zwei Gänge hat und die ohne Bremse gefahren wird, verbunden. Kommt es zum Sturz, schaltet sich der Motor sofort ab. Das verhindert Schlimmeres.

Um Eissspeedway in Deutschland betreiben zu können, muss man an dem „Randsport“ (Bauer) hängen. Sponsoren gibt es, draufzahlen müssen die Fahrer trotzdem. „Es ist reine Liebhaberei“, sagt Bauer. Er kommt aus Bayern. Seine Teamkollegen Jürgen Liebmann, Greenkeeper eines Golfplatzes in Reichholzried, und Markus Schwaiger, zu Hause in Lenggries, auch. Sie trainieren vor allem in Inzell.

Im Sommer fahren sie nicht Speedway, denn für die Sandbahnrennen braucht man eine andere Technik. In den Kurven wird hie gedriftet, da gefräst. Das ist ein fundamentaler Unterschied, sagen die Fahrer. Gefährlich ist es aber auch auf Asche. So sei Motorsport eben, beteuern alle drei. „Gefährlich ist alles, man darf halt nicht dran denken.“ Markus Völker