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Der ganz große Scheinrückzug

■ Jörg Haiders neueste Finte: Nur scheinbar deutet sein Rücktritt als FPÖ-Chef auf einen Abschied aus der Politik. In Wirklichkeit bereitet er seine eigene Kanzlerkandidatur vor

Wenn jemand ein Amt aufgibt, dann heißt das im Österreichischen „zurücklegen“. Ein schöner Ausdruck für das, was Jörg Haider am späten Montagabend mit dem Vorsitz der rechten Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) veranstaltet hat. Was man zurückgelegt hat, kann man schließlich auch wieder an sich nehmen, wenn man mag.

Tatsächlich glaubt niemand in Österreich ernsthaft daran, dass sich durch Haiders Rücktritt und die Amtsübergabe an seine bisherige Stellvertreterin Susanne Riess-Passer irgendetwas an der Politik der FPÖ ändern könnte. Wohl aber an Haiders Chancen, sich aus dem kleinen Kärnten, dem er als Landeshauptmann vorsteht, weiterhin als Fundamentaloppositioneller gegen die ganze Saubande aus Wien zu profilieren.

Die Furcht vor dem großen Vorsitzenden schwindet

Insofern erleichtert Haider den Seinen tatsächlich das Regieren: Die FPÖ-Minister müssen nicht mehr fürchten, dass jede von ihnen begangene Dummheit direkt auf das Image Haiders durchschlägt und ihnen dementsprechend den gesammelten Zorn des Chefs einbringt.

Erfahrungen damit gibt es genug: Zuletzt war es der trotz Widerständen als Finanzminister vereidigte Karl-Heinz Grasser, der die Wut des Chefs zu spüren bekam: 1998 hatte er in einem Interview mit der Zeitschrift Profil geglaubt äußern zu dürfen, Haider sei zum damaligen Zeitpunkt nicht recht „motiviert“. Eine ganze Strafexpedition mit Haider an der Spitze reiste daraufhin zu Grasser, um ihn nach Strich und Faden auseinanderzunehmen. Grasser ließ sich fürderhin nichts mehr zuschulden kommen – bis zu diesen Tagen. Da war er innerhalb der Regierung derjenige, der am schärfsten gegen die 60.000-Schilling-Obergrenze des Nettoverdienstes von FPÖ-Funktionären im Staatsdienst zu Felde zog, die Haider ebenso vehement verteidigte – ohne Erfolg. Zwar behauptet Haider, sein Rückzug aus der Funktion des Bundesobmannes sei schon seit Ende Januar beschlossene Sache gewesen. Tatsächlich aber dürfte die jüngste Niederlage im Streit mit den Ministern ihn zumindest in seinem Beschluss bestärkt haben, seinen Namen nicht mehr durch Stümpereien der Kabinettsmitglieder in den Schmutz ziehen zu lassen. Finanzminister Grasser kommentierte ambivalent: Für Kärnten sei die neue Entwicklung hervorragend.

Dass Haider keine seiner politischen Ambitionen aufgegeben hat, machte er selbst sofort unmissverständlich klar: Er könne sich durchaus vorstellen, als Kanzlerkandidat bei den nächsten Wahlen in die Bundespolitik zurückzukehren, sagte er. Und der FPÖ-Minister für Infrastruktur, Michael Schmid, sagte: „Er muss sich vorbereiten, damit er erholt als Kanzler von Österreich an die Spitze zurückkehrt.“ Sein Rücktritt sei nur ein „Aktivurlaub in Kärnten“.

Auch seinen Einfluss in der Partei dürfte Haider behalten: Denn zum einen ist seine designierte Nachfolgerin Susanne Riess-Passer in den vergangenen 13 Jahren zu einer Art Alter Ego des großen Vorsitzenden geworden, zum anderen weiß die FPÖ ganz genau, dass sie ihren Aufstieg von einer Knapp-fünf-Prozent-Partei zur Regierungsbeteiligung und zweitstärksten Kraft in Österreich vor allem ihrem Zugpferd Jörg Haider zu verdanken hat, den niemand vergraulen möchte.

Einen Tag nach Haider erklärte auch Justizminister Michael Krüger (44) seinen Rücktritt – wenn auch wohl aus anderen Gründen. Der Anwalt aus Linz war erst 1993 durch die Lektüre des Haider-Bekenntnis-Schinkens „Freiheit, die ich meine“ zur FPÖ gestoßen und seither in Haider-Verehrung schier verblödet. Bis dahin, dass er in Fernsehinterviews kaum noch einen geraden Satz zustande brachte, nur noch Unsinn redete und klagte, seine Telefone würden samt und sonders abgehört. „Gesundheitliche Probleme“ und „Arbeitsüberlastung“ sind die Gründe, die aus FPÖ-Kreisen für seinen Rücktritt angegeben werden.

Sein Nachfolger – freilich gestern von Jörg Haider vorgestellt, von wem denn sonst? – ist der 56-jährige Dieter Böhmdorfer. Unter den Legionen von Anwälten, die die FPÖ juristisch gegen allfällige Unbill verteidigen, gilt er als der Mann fürs Grobe. FPÖ-Generalsekretär Peter Westenthaler jubelte einst: Böhmdorfer ist „einer der geachtetsten und gefürchtetsten Medienanwälte – und daher der richtige für uns.“

Darüber hinaus hat sich Böhmdörfer stets als gehorsamer Befehlsempfänger Jörg Haiders erwiesen. „Ich bin in der glücklichen Lage, mit Haider reden zu können und seine Motive kennen zu lernen – und verstehe seine Politik“, umschrieb Böhmdorfer das 1998. Mit ihm wird nach dem weichen Krüger ein echter Hardliner das Justizministerium beziehen. Der ganz kurze Draht nach Kärnten jedoch dürfte erhalten bleiben.

Bernd Pickert

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