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McJobber wehren sich gegen Rausschmiss

Sechs McDonald’s-Beschäftigte einer Filiale am Ku’damm sollen einen Kollegen bedroht haben. Alles erstunken und erlogen, sagen die Betroffenen. Die Burger-Brutzler hatten einen Betriebsrat gründen wollen. Nun vermuten sie, dass sie dafür büßen sollen ■ Von Richard Rother

Sabotage, Diebstahl, Unterschlagung, Bedrohung mit Messern: Wenn man den Begründungen für mehrere fristlose Kündigungen Glauben schenkt, muss es in der McDonald’s-Filiale am Ku’damm Nummer 11 wie in einem amerikanischen Krimi zugegangen sein. „Wenn du etwas sagst, geht es dir und deiner Familie schlecht“ – mit diesen Worten soll der Co-Chief der Filiale, Kayhan Y., nachts bedroht worden sein, weil er den Machenschaften seiner Untergebenen auf die Schliche gekommen war. So lautet jedenfalls die Version, die McDonald’s-Bezirksleiter Oliver Teseo gestern vor dem Berliner Arbeitsgericht vertrat. Kayhan Y. war zur Verhandlung nicht erschienen.

Sechs Beschäftigten war im November vergangenen Jahres fristlos gekündigt worden. Dagegen hatten die Betroffenen geklagt. Kläger Murat Cosansu behauptet: „Die McDonald’s-Vorwürfe sind erstunken und erlogen. Die haben uns nur rausgeschmissen, weil wir dabei waren, einen Betriebsrat zu gründen.“ Seit eineinhalb Jahren hat der 24-Jährige in der Küche des Fastfood-Restaurants einen Zweitjob.

Y.s schriftlichen Aussagen zufolge soll Cosansu absichtlich einen Hauptschalter betätigt und so den gesamten Keller unter Wasser gesetzt haben. Y. sei allein deshalb nicht eingeschritten, weil er bedroht worden sei, führte Teseo aus. Die weiteren Vorwürfe: Cosansu soll einen Mitarbeiter damit beauftragt haben, Speisen in einen Karton zu packen und in den Hinterhof zu stellen. Dort seien sie von Unbekannten abgeholt worden.

Für Cosansus Anwältin, Gabriele Janner, ist die gesamte Beweisaufnahme „mehr als dürftig“. Die DGB-Anwältin hält es für eigenartig, dass die kündigungsrelevanten Vergehen im zeitlichen Rahmen der geplanten Betriebsratswahl begangen worden sein sollen. Auffällig sei, dass gerade den Gewerkschaftsmitgliedern, die sich besonders engagiert hätten, gekündigt worden sei. Zudem trete auch in den anderen Verfahren immer wieder Y. als Hauptbelastungszeuge auf.

Auch DGB-Sprecher Dieter Pienkny ist misstrauisch. McDonald’s sei bekannt für das so genannte union busting. Dies bedeute, mit allen Mitteln gewerkschaftliches Engagement in den Betrieben zu verhindern.

Rami Kanoua ist sauer: „Die haben uns behandelt wie Sklaven.“ Monatelang habe er durchgängig Nachtschicht arbeiten müssen – für rund 1.600 Mark netto. Niemand habe ihn darüber aufgeklärt, dass er ein Recht auf Wechselschicht habe. Wenn jemand in der Küche wegen Krankheit ausgefallen sei, sei der Beschäftigte nicht ersetzt worden.

„Manchmal musste einer für drei arbeiten“, so Kanoua. Am Tag der Love Parade hätten die Beschäftigten 22 Stunden durchgearbeitet. Auch sei es immer wieder vorgekommen, dass jemand nach ein paar Stunden Arbeit nach Hause geschickt wurde, ohne dass die so entgangenen Stundenlöhne gezahlt wurden.

Deswegen wollte der 28-jährige Palästinenser bereits im September einen Betriebsrat gründen. Als dies ruchbar geworden sei, habe man ihm gekündigt. Begründung: Er soll einen Cheeseburger durch den Saal geworfen haben und einmal fünf Minuten zu spät gekommen sein. Außerdem soll er sich an der Bedrohung gegen Y. beteiligt haben.

Die McDonald’s-Vertreter bestritten gestern jeden Zusammenhang zwischen der geplanten Betriebsratsgründung und den Kündigungen. Teseos verplapperte sich allerdings dabei, indem er sagte: Wenn man von „dem Kündigungsgrund Betriebsratsgründung“ bereits im September erfahren hätte, warum hätte man dann mit der Kündigung bis November warten sollen?

Die Verhandlung um Cosansus Kündigung wurde gestern nicht entschieden. Einen gütlichen Vergleich hat Cosansu abgelehnt. Er wartet wie die anderen Betroffenen auf Y.s Aussagen vor Gericht. Die weiteren Verfahren finden in den kommenden Monaten statt.

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