Die Knesset will den Abzug vom Golan verhindern: Ein Votum gegen den Frieden
Das Abstimmungsergebnis in Israels Parlament indiziert, dass der vorläufig jüngste Staat im Nahen Osten noch immer große Probleme mit der Demokratie hat. 120 Parlamentarier wollen über die Bedingungen entscheiden, unter denen das Volk mitbestimmen darf. Wer für unsere Position ist, so die Quintessenz, dessen Stimme ist mehr wert als die unserer Gegner. 41 Prozent Neinstimmen bei einer Volksabstimmung würden demnach ausreichen, um den Abzug vom Golan und damit den Frieden mit Syrien zu vereiteln.
Ein Blick auf diejenigen, die ohne Zweifel zu den anderen 60 Prozent gehören, reicht, um zu ahnen, um wen es hier eigentlich geht. Gemeint ist die arabische Bevölkerung Israels. Ihr Einfluss soll bei einer Volksabstimmung so weit wie möglich eingedämmt werden. Sie ist in ihrer Haltung über einen Frieden mit den Nachbarstaaten und den dafür zu zahlenden Preis eindeutig. Aber nicht nur deshalb zählt ihre Stimme weniger. Wenn die konservative Front in der Vergangenheit ganz unverblümt eine „jüdische Mehrheit“ für große Entscheidungen von nationaler Bedeutung forderte, so verlangt der neue, diplomatischere Tenor nach einer 60:40-Mehrheit.
Die Idee, überhaupt ein Referendum zu veranstalten, stammt noch aus der Regierungszeit des ermordeten Jitzhak Rabin. Kurz vor seiner Wahl zum Premierminister hatte Rabin der jüdischen Bevölkerung auf dem Golan versprochen, unter keinen Umständen territoriale Kompromisse einzugehen. Sobald jedoch die Verhandlungen mit Syrien begannen, pfiff auch Rabin plötzlich eine andere Melodie. Die Golansiedler protestierten, Rabin habe kein Mandat. Um sich für die Verhandlungen Rückendeckung zu verschaffen, stellte Rabin einen Volksentscheid in Aussicht. Ehud Barak hat – entgegen seiner völlig anderen Grundvoraussetzung, die ihm jedes Mandat für das Aushandeln von Friedensverträgen gibt – das Versprechen des Referendums übernommen. Den Rechten im Parlament ist es damit indes noch immer nicht genug. Um den Frieden mit Syrien zu vereiteln, scheint ihnen jedes Mittel recht zu sein. Auch wenn es auf Kosten der Demokratie geht.
Dass ausgerechnet die zweitgrößte Koalitionspartei Schas bei diesem Handel mit von der Partie ist, mag am wenigsten überraschen. Die ultraorthodoxen Parlamentarier entscheiden selten ihrem Gewissen nach, sondern entsprechen den Anweisungen ihres spirituellen Mentors, Rabbi Ovadia Joseph.
Susanne Knaul
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