: Schuldenflut ertränkt die Wasserstadt
Bei den städtischen Neubaugebieten erhöhen sich die Defizite auf 1,8 Milliarden Mark
Für Bausenator Peter Strieder (SPD) bilden die fünf städtebaulichen Entwicklungsgebiete ein „bedeutendes Stück Stadt“. Für den Berliner Landeshaushalt dagegen bedeuten die Wasserstadt Oberhavel, die Rummelsburger Bucht, die Quartiere Eldenaer Straße, Biesdorf Süd und in Adlershof ein Millionengrab. Nach den neuesten Berechnungen werden die Stadtteile mit rund 30.000 Wohnungen, 35 Kitas, 6 Schulen und Arbeitsplätzen für 60.000 Menschen mit rund 1,8 Milliarden Mark Defizit die öffentlichen Kassen belasten. Das sind 474 Millionen Mark mehr, als noch im vergangenen Jahr kalkuliert wurde. Hinzu kommen zusätzliche Investitionen in Höhe von über 200 Millionen Mark für Infrastruktureinrichtungen. Dies geht aus der Vorlage der Bauverwaltung an den Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses hervor.
Nach Ansicht von Strieder werden die Gesamtausgaben des Landes für die neuen Stadtteile „nach dem derzeitigen Stand 5,06 Milliarden Mark betragen“. Durch EU-Fördermittel sowie Verkäufe von Wohnungen erhoffe sich Berlin zugleich „Einnahmen in Höhe von 3,1 Milliarden Mark“. Neben dem Land haben derzeit private Bauträger Investitionen von zirka 3 Milliarden Mark für Wohnungen insbesondere in der Wasserstadt Oberhavel verbaut. Die Fertigstellung der Entwicklungsgebiete ist für 2010 vorgesehen.
Verantwortlich für das zusätzliche Finanzloch sind die gefallen Bodenpreise sowie der entspannte Wohnungsmarkt in Berlin. Die Nachfrage nach neuen Wohnungen in den Stadtteilen lässt deshalb zu wünschen übrig. Kritiker der Stadterweiterungen, wie die Landtagsabgeordneten Harald Wolf (PDS) und Burkhard Müller-Schoenau (Grüne) rechnen damit, dass auf Jahre Leerstand in den Quartieren zu erwarten sei und die Entwicklungsgesellschaften mit Millionen Mark aus dem Haushalt unterstützt werden müssen. Allein in der Wasserstadt Oberhavel stiegen 1998 die Finanzierungskosten um fast 150 Millionen Mark, die durch Kredite ausgeglichen werden mussten.
Um nicht weiter in die Schuldenspirale zu geraten, will Strieder „auf ein Umdenken“ beim Ausbau der Quartiere setzen. So sollen Entwicklungsprojekte verkleinert oder „gestreckt“ und Sparmaßnahmen durch Streichungen von Straßen oder den Verzicht von Neubauten eingeleitet werden.
Den Bündnisgrünen geht der „Umdenkungsprozess“ nicht weit genug. „Die Vorlage zu den Entwicklungsgebieten dokumentiert ein Desaster“, erklärte der Fraktionsmitarbeiter Oliver Schruoffeneger. Das von der Bauverwaltung errechnete Defizit von 1,8 Milliarden Mark könne durch steigende Zinsen „schnell über 2 Milliarden Mark anwachsen“. Zudem seien in der Kalkulation zahlreiche Planungen wie etwa 133 Millionen Mark für eine Schule und den Straßenbahnbau in Adlershof „nicht berücksichtigt“. Bevor nicht ein präziser Kosten- und Terminentwurf vorliege, so Schruoffeneger, lehnten die Grünen die Vorlage ab. Unterstützt wird die Kritik auch von den anderen Fraktionen. Vor den Etatberatungen im April soll eine Arbeitsgruppe Vorschläge zur Kostenminderung machen.
Rolf Lautenschläger
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