: Die sieben Leben des Roland Koch
Bei der Hessen-CDU herrscht Zuversicht vor dem morgigen Sonderparteitag der FDP. Ein Votum gegen Koch erwartet niemand mehr. Heute tagt erneut das Wahlprüfungsgericht
Wiesbaden (taz) – Regierungssprecher Dirk Metz legte auch gestern wieder die schon arg ramponierte „Koch-Platte“ mit den Kratzern darauf auf: Er sei „sehr zuversichtlich“, dass Roland Koch (CDU) auch nach diesem Wochenende noch Ministerpräsident des Landes Hessen sein werde. Und Chef der hessischen Union: „Da können Sie Gift drauf nehmen.“
Heute tritt in Wiesbaden erneut das Wahlprüfungsgericht zusammen, um herauszufinden, ob es bei der Hessen-Wahl 1999 zu gravierenden Unregelmäßigkeiten gekommen ist, die eine Prüfung der Gültigkeit dieser Wahl zwingend erforderlich machen. Es geht dabei um den Einsatz von Schwarzgeld im Wahlkampf durch die Union. Und um die Behauptung der Opposition, dass CDU und FDP die Wahl 1999 nicht gewonnen hätten, wenn die Bürger von der Existenz der schwarzen Kassen der CDU auch nur etwas geahnt hätten.
Am Sonnabend dann findet in Rotenburg an der Fulda der Sonderparteitag der hessischen FDP statt. Rund 100 Delegierte wollen die Opponenten gegen den „Koch-Kurs“ von Parteichefin Ruth Wagner um sich geschart haben – 100 von 300. Das wird nicht reichen, um Koch nach der Abstimmung einen Demissionsbeschluss zustellen zu können. Ruth Wagner jedenfalls hat ihr politisches Überleben eng mit dieser Entscheidung der Basis verknüpft. Sollte der Parteitag wider Erwarten doch noch den Kopf von Koch fordern, steigt sie freiwillig mit auf die – politische – Guilloutine. Doch so weit wird es kaum kommen. Liberale können bekanntlich kein Blut sehen.
Roland Koch also mit sieben Leben? So wie die Katze, die seinem Innenminister Volker Bouffier von der Mafia in den Vorgarten geschleudert worden sein soll – verziert mit roten Schleifen? Alles Lüge. Alles Lügenbolde. Bouffier muss sich schon seit Monaten vor einem Untersuchungsausschuss für seine wahrheitswidrigen Behauptungen verantworten. Koch steht das noch bevor. Überstanden hat Roland „Pinocchio“ Koch dagegen schon die erweiterte Vorstandssitzung der hessischen FDP Mitte Februar in Lich. Einstimmig sprach sich der FDP-Vorstand für die Fortsetzung der Koalition mit der CDU aus. Zwei Drittel der Vorstandsmitglieder votierten dort auch für die Koalition unter Kochs Führung. Und die Staatsanwaltschaft in Wiesbaden lehnte es in der vergangenen Woche ab, ein Ermittlungsverfahren gegen Koch wegen der Fälschung des Rechenschaftsberichts der hessischen Union für 1998 und wegen der ihm nachgewiesenen Lügen zu eröffnen.
Spiel, Satz und Sieg für Koch. Und das auswärts. Sein Heimspiel in Wiesbaden gewann er am 19. Februar auch mit Bravour. Fast 98 Prozent der Delegierten des CDU-Landesparteitages wählten ihn wieder zum Landesvorsitzenden. Stehende Ovationen für Koch, dem von der Opposition und den politischen Auguren in Wiesbaden vorschnell das „Aus“ prophezeit worden war.
„Die Luft ist raus“, sagte ein junger Liberaler gestern im Landtag mit Blick auf den morgigen Sonderparteitag der FDP. Dass die Staatsanwaltschaft kein Ermittlungsverfahren gegen Koch eingeleitet hat, werde von vielen in der Partei als „Entlastung“ für ihn gewertet: „Und warum sollten wir päpstlicher sein als der Papst.“ Der Druck aus Berlin von der Parteiführung der FDP hat auch merklich nachgelassen – nach dem grandiosen Wahlsieg der Partei in Schleswig-Holstein. Die Hessen hätten jetzt „das Sagen“, so der Bundesvize Rainer Brüderle.
„Stimmt“, sagen die Hessen. Dass sie am Montag noch Wissenschaftsministerin des Landes ist, daran glaubt jedenfalls Ruth Wagner, die ihre braven Liberalen in Hessen genau kennt, ganz fest. Mit einer Einschränkung: „98 Prozent wie Roland Koch werde ich in Rotenburg wohl nicht kriegen.“
Klaus-Peter Klingelschmitt
Reportage Seite 13
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