: Was gibt es am Bahnhofsplatz zu ver(sc)handeln?
■ Wo derzeit am Bahnhofsplatz provisorische Fahrrad-Ständer aufgebaut worden sind, soll gebaut werden. Eine Passage sollte den „Weg“ vom Bahnhofsplatz über den Herdentorsteinweg in die City offen halten. Diese städtebauliche Qualität soll nun geopfert werden: Der Investor von der Widerkehr-Gruppe findet die hochwertigen Mieter nicht, die hier einmal hohe Mieteinnahmen garantieren sollten. Seit Monaten stockt das Projekt, daher die Fahrrad-Bügel. Nun plant der Investor einen 130 Meter langen Riegel, dessen utere Etagen als Großfläche an einen Einkaufs-Markt vermietet werden könnten. Ortsamtsleiter Robert Bücking
Der Verkauf des Investorengrundstücks am Bahnhof ist ins Stocken geraten. Der Investor verlangt eine Änderung des Bebauungsplans und die Aufhebung der Fußgängerpassage. Er braucht für drei Etagen Einzelhandel durchgehende Flächen. Einige CDU-Politiker bestehen für diesen Fall auf einer neuen Ausschreibung. Die sozialdemokratischen Baupolitiker halten das für nicht erforderlich. Sie geben sich damit zufrieden, wenn die „Durchlässigkeit“ des Gebäudes für Fußgänger gesichert wird, salopp gesagt: ein Peek&Cloppenburg mit Türen nach beiden Seiten. Hartnäckig halten sich Gerüchte, der Investor wolle sich zurückziehen und suche nur nach einer Gelegenheit. Da lohnt es sich noch einmal zu analysieren was auf dem Spiele steht. Kurz gesagt, es geht um eine wichtige Investition und um die Gestaltung eines wichtigen Platzes in Bremen.
Der Investor aus dem Schwäbischen hatte nach einer bundesweiten Ausschreibung 1998 für das Grundstück am Ende des Bahnhofsplatzes zwischen Umsteigeanlage der Straßenbahn und Breitenweg 25,25 Millionen Mark geboten. Das waren glatte 10 Millionen mehr als seine Mitbewerber. Es sollten 30 000 qm brutto Geschossfläche geschaffen werden. Oben Büros, unten Handel. Ganz unten in der Minus-zwei-Ebene: Parken. Investition: 120 Millionen.
Aber 25 Millionen bieten und für 25 Millionen kaufen sind offenbar zwei Paar Schuhe. Vor der Unterzeichnung des Vertrages müssen um so mehr zukünftige Mieter gefunden werden, je mehr der Inves-tor auf den Kredit der Banken angewiesen ist. Ein Jahr ist seitdem vergangen, nichts ist unterschrieben. Für den Investor eine ernüchternde Konfrontation mit der Realität des Bremer Immobilien-Marktes.
Die Innenstadt-Mieten liegen in Bremen für neue Büros selten über 20 DM pro Quadratmeter, am Flughafen und an der Uni liegen sie darunter. Die Nachfrage nach Büro-Flächen ist bescheiden, meistens wird auf Bestellung gebaut. Das Gebäude am Bahnhof hätte mal eben ein Drittel der durchschnittlichen Bremer Jahres“produktion“ an Büroflächen an den Mann bringen müssen. Mit Mieten deutlich über dem Durchschnitt. Ein mutiges Unterfangen.
Also sollte das Geld mit den Handelsflächen verdient werden. Und da mussten die Akquisiteure die Erfahrung machen, dass auch dies, trotz der feinen Lage neben einem zentralen Verkehrsplatz, über den pro Tag mehr als hunderttausend Passanten strömen, schwierig ist.
Man kann darauf wetten, dass so ziemlich alle potentiellen Anbieter von Waren, die üblicherweise in Innenstädten verkauft werden, zurzeit einem innigen Werben der Spacepark-Akquisiteure ausgesetzt sind. Man darf getrost vermuten, dass jeder nur irgend Expansionswillige auf diesem Feld auf der Lauer liegt, ob es in Gröpelingen gelingt, eine erfolgsträchtige Mischung zusammenzubringen. Die Investitions-Projekte der Stadt machen sich gegenseitig Konkurrenz – für einen Investor am Bahnhof nicht gerade ein günstiger Moment.
Dies alles werden die Gewerbemakler dem Investor in den letzten Monaten vorgetragen haben. So entstand die Einsicht, dass der Preis für das Grundstück zu hoch ist und durch eine Passage, die den Straßenbahn- und Bus-Bahnhof mit dem Herdentor und also der City verbindet, auch noch in seiner Verwertung behindert wird.
Das Bauressort ist spürbar unter Druck. Es benötigt dringend den Erlös aus dem Grundstücksverkauf. Denn die Neugestaltung des Bahnhofsplatzes soll daraus bezahlt werden. Und die wird teurer. Die Ausschreibung war unprofessionell und die Firmen verlangen 10 Millionen mehr als kalkuliert.
Aber das ist nur die eine Seite der Medaille, die Gestaltung des belebtesten Platzes der Stadt, den die Stadtplaner als Eingang in das Zentrum der Stadt definieren, ist die andere Seite. Konkret geht es um die Frage, wie die Südseite dieses Platzes „geschlossen“ und „geöffnet“ werden soll.
Im Augenblick zerläppert der Platz an dieser Stelle. Ist beschädigt durch die Hochstraße und hat keine abschließende „Kante“. Seine ganze Struktur und auch die Enge der Umsteigeanlage rechtfertigt sich nur aus der Entscheidung, hier bauen zu wollen. Gleichzeitig bezieht sich der Platz vis à vis des Herdentors, und nur hier, auf den tatsächlichen historischen Stadteingang. Dies wird noch deutlicher werden, wenn erst das Contrescarpe-Center gegenüber dem Mariott Hotel gebaut ist. Hier geht's in die City, optisch und tatsächlich. Es ist in Bremen ja bekanntlich so, dass die Bahnhofsvorstadt für jeden Besucher ersichtlich außerhalb des alten Stadtkerns hinter den Wallanlagen liegt. Der Bahnhofsplatz ist also nicht eingewachsen in die City. Soll er als Eingang und Foyer der City funktionieren, muss er auf die City bezogen werden.
In dem städtebaulichen Entwurf, der der ganzen Umgestaltung des Bahnhofsplatzes zu Grunde liegt, war an dieser Stelle ein breit gespanntes Glasdach zwischen einem schmalen und einem breiten Gebäude vorgesehen. Mit der Korrektur der Verkehrsführung über die große Kreuzung von Herdentor und Breitenweg war dieses Konzept gestorben. Übrig blieb die Fußgänger-Passage. Aber immerhin noch als reale Trennung der beiden Gebäude, also als tatsächlicher „Weg“ und auch als optischer Bezug zwischen den Stadträumen. Nun soll dieser dramatische Schlitz in der Kante des Platzes aufgegeben werden. Es habe sich gezeigt, dass tatsächlich nicht viele Fußgänger von der Straßenbahnhaltestelle diesen Weg einschlügen, ist die Begründung. Das ist zweifellos zurzeit zu beobachten. Aber was da jetzt städtebaulich entschieden wird, muss für die nächsten 100 Jahre Geltung haben. Was wird sein, wenn das Siemenshochhaus bald wieder genutzt und das Contrescarpe-Center fertig ist, wenn die Straßenbahn im Herdentor hält? Was, wenn tatsächliche Ziele und städtebauliche Qualitäten einen guten Grund geben, aus der Innenstadt kommend diesen Weg zum Bahnhof und zur Straßenbahn einzuschlagen?
Ein Gebäude-Riegel von 130 Meter Länge mit Drehtür auf beiden Seiten mag einen Teil der wirtschaftlichen Sorgen des derzeitigen Investors lösen, eine richtige städtebauliche Antwort auf diese Lage ist es nicht.
Was also wäre zu verhandeln? Nach Lage der Dinge nur der Preis. Einen Verzicht auf städtebauliche Qualität darf es an einem Bauplatz dieser Bedeutung nicht geben. Und so viel ist klar: Verhandeln kann nur, wer auch bereit ist, die Verhandlungen notfalls scheitern zu lassen. Selbst dieses Ergebnis wäre die Sache wert.
Heute, am Montag den 6.3. um 19 Uhr, wird auf der Sitzung des Beirats Mitte über die Aufhebung der Passage über das Investoren- Grundstück verhandelt. Der Beirat tagt im Ortsamt Am Dobben 91,
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