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Wie Jesus im Dederon-Kittel

In messianischer Heilserwartung will die CDU-Basis nur eins: Angela Merkel. Sie ist die Erste, glaubt man, die die einfachen Parteimitglieder zur Kenntnis und ernst nimmt

BERLIN taz ■ Manfred Böttcher steht an einem der runden Stehtische im Berliner Palais am Funkturm und gönnt sich ein Pils und eine Zigarette. Drei Stunden lang hat der Stadtrat aus Delitzsch bei Leipzig zugehört auf der Regionalkonferenz der CDU-Landesverbände von Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Jetzt, nach einem Schluck Bier, wird er gesprächig. Es habe ihm gefallen, was Jörg Schönbohm gesagt hat.

Der CDU-Chef aus Brandenburg hatte markige Worte gewählt und zum Angriff geblasen. Die Union solle das „Büßergewand“ ablegen und den „Kampfanzug“ anziehen.

Das findet Böttcher, der sich als „rechtskonservativ“ bezeichnet, gut. Auch von „Professor Biedenkopf“ hält er viel, „wir sind froh, dass wir ihn haben“. Aber als Nachfolger von Wolfgang Schäuble wünscht er sich nicht seinen Landesvater aus Sachsen, sondern – Angela Merkel.

Was hat diese Frau, dass die Basis über alle Parteiflügel hinweg sie so liebt? Wie kann es sein, dass selbst Hardliner aus den Landesverbänden ihrer Konkurrenten ins Schwärmen kommen? „Sie gehört zu einer neuen Generation, sie hat mit der Vergangenheit und dem Spendenskandal nichts zu tun“, sagt Böttcher.

Merkel wurde auf allen Regionalkonferenzen gefeiert, nicht nur bei ihrem „Heimspiel“ am Samstag unter vorwiegend ostdeutschen Landsleuten. So sehr, dass kein Weg mehr an ihr vorbeizugehen scheint.

Dabei hat sie sich bisher selbst zurückgehalten. Dabei gehörte der CDU-Parteivorsitz eigentlich noch nicht zu ihrer Karriereplanung. Aber genau das macht sie in der Partei so sympathisch.

Nach 16 Jahren, in denen die Basis immer nur abnicken durfte, was die Parteispitze ausgeklüngelt hatte, genießen es die kleinen Funktionsträger, dass sie endlich mitreden dürfen. Und nichts kommt da schlechter an als die Versuche von Volker Rühe, Machtspielchen im Hinterzimmer zu betreiben.

So regt sich am Samstag eine Rednerin aus Brandenburg mächtig darüber auf, dass Rühe gesagt habe, von der Basis kämen nur Emotionen und von oben Vernunft: „Das verbitte ich mir“, sagt sie unterRiesenbeifall.

Ansonsten ist von Rühe überhaupt nicht mehr die Rede – genauso wenig wie von den anderen möglichen Kandidaten. Auch nicht von Eberhard Diepgen, dem Gastgeber, über den kurz vor der Konferenz zu lesen war, er werde von Schäuble favorisiert. Niemand meldet sich zu Wort, um ihn zu unterstützen. Im Gegenteil, auch viele Berliner drängen Merkel, endlich anzutreten: „Viel Erfolg und Mut“ wünscht ihr der ehemalige Vorsitzende der Berliner Jungen Union, Thorsten Reschke. Sie solle nicht auf das Gerede von irgendwelchen „Klugscheißern“ hören.

Angela Merkel selbst wird in all dem Trubel um ihre Person immer mehr zur Sphinx. Kein Wort zu ihren Ambitionen, kein Dementi, aber auch kein „Ja, ich mache es“. Auch nicht, als ihr ein rühriger älterer Herr eine extra für sie gebackene „Bundestorte“ in Schwarzrotgold überreicht. „Prima, die CDU wählt Angela“ steht darauf. Merkel nimmt sie an, bedankt sich. Und sagt nichts.

Unsicher wirkt sie, wie sie mit den Ovationen umgehen soll. Also lächelt sie. Auch nach zehn Jahren in Spitzenämtern wirkt sie aus der Sicht der einfachen Mitglieder „wie eine von uns“.

Drei Stunden lang hört sie aufmerksam zu, selbst als ein Herr aus Brandenburg langatmig über die Mäuseplage in seinem Landkreis berichtet. Als Einzige der Promis auf dem Podium klatscht sie nach jedem noch so trivialen Beitrag artig Beifall.

Es sind diese kleinen Gesten, die aufmerksam registriert werden. Die Stimmung ist klar. Wenn Merkel es will, wird sie gewählt. „Wir haben schon mal zur Probe abgestimmt bei uns in Delitzsch“, berichtet Manfred Böttcher, „das Ergebnis war eindeutig. Vier zu eins!“

LUKAS WALLRAFF

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