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Kopfgeld auf Milosevic

US-Außenministerium sucht Jugoslawiens Präsidenten jetzt per Steckbrief. Opposition gerät dadurch unter Druck

WIEN taz ■ Das US-Außenministerium hat einen Steckbrief mit den Bildern des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević sowie der beiden bosnischen Serben Radovan Karadzić und General Ratko Mladić veröffentlicht. Für Hinweise, die zu einer Festnahme der drei Männer führen, ist eine Belohnung von fünf Millionen Dollar ausgeschrieben.

Insider, die erklärte Gegner Milošević’ sind, fassen sich an den Kopf. Nichts könnte Milošević derzeit nützlicher sein. Und niemand glaubt, dass das Ende seiner Herrschaft mit diesem Papier näher rückt. Welche Hinweise erwartet Washington? Wo sich Milošević befindet weiß ohnehin jeder. In Serbien erinnert diese Aktion an den Steckbrief, den die deutsche Besatzungsmacht für die Erfassung Titos während des Krieges erlassen und „100.000 Reichsmark in Gold für Hinweise versprochen“ hatte. Damit rückt für die Serben Clinton in ungewollte Nähe zu Hitler. Dass Amerikaner und „der Rest der Welt“ „Faschisten“ seien, behauptet Belgrad sowieso.

Wenn man sich keinen Bodenkrieg der Staatengemeinschaft gegen Serbien vorstellen kann – und wer könnte das heute? – ,bleibt es der Bevölkerung Serbiens und vor allem den Oppositionsparteien überlassen, eine Veränderung herbeizuführen. Der amerikanische Steckbrief schadet gerade diesen Bestrebungen am Vorabend von Lokalwahlen in Serbien. Milošević hat erklärt, es gebe gar keine Opposition, nur Verräter und Söldner des Westens. Dieser Steckbrief bestätigt ihn ein weiteres Mal.

Wohl etwas übertrieben, aber doch zumindest eine Überlegung wert ist es, wenn sich serbische Oppositionelle jetzt fragen, ob die amerikanische Administration über die Folgen ihrer Aktionen schlecht unterrichtet war oder – man wagt es kaum auszusprechen – sie Milošević als Bösewicht erhalten will und ihn deswegen auch mit diesem Steckbrief unterstützt. IVAN IVANJI

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