: Letztlich doch ein gülden Herz
Eine Sau, eine Perle, ein Mensch: Harald Juhnkes „Jugendsünde“ (20.15 Uhr, ARD)
Teils bewundernd, teils betreten beobachten wir einen 70 Jahre alten Unterhaltungskünstler beim Spagat. Der Künstler ist Juhnke, der Spagat seine leichteste Übung. Keine menschelnde und auch keine allzu menschelnde Rolle ist ihm fremd. Der Schürzenjäger. Der Verzweifelte. Der Gönner. Der Schwärmer. Der Patriarch. Der Lebemann. Der Chansonnier. Juhnke vereint all diese Entwürfe nicht in seiner Filmfigur, sondern in sich selbst. Weil es Harald Juhnke gibt, gibt es Filme wie „Jugendsünde“.
Darin verkörpert er den gealterten, steinreichen Schürzenjäger Max Baldauf, der in einem Anflug altersbedingter Melancholie wieder gutmachen will, was er im Leben verbockt hat. So entsinnt er sich einer Jugendliebe aus den verblassten 50ern, die er damals schwanger hatte sitzen lassen. Mit silbernem Benz macht er sich auf zum pittoresk-provinziellen Frauenhaushalt der Verflossenen, deren Tochter und Enkelin. Das Idyll indes trügt, die Damen plagen finanzielle Sorgen. Gern werden da die großväterlichen Gefühle und Schecks des Gastes angenommen, obwohl, es muss gesagt werden, weder Tochter noch Enkelin von Baldaufs Blute sind. Die üblichen müden Verwicklungen nehmen ihren Lauf. Doch je länger Juhnke vor diesem Tableau bürgerlichster Abendunterhaltung agiert, desto mehr verblasst die Figur des Max Baldauf.
Zum Vorschein kommt uns’ Juhnke, sorgsam freigelegt von einem Drehbuch, das seinen Hauptdarsteller mehr liebt als Stringenz oder Dramaturgie. Im Kurcafé gibt er zwischen den Lupinen, ganz Charmeur, ein Ständchen am Klavier. Im Bett wälzt sich der Greis, ganz Schwerenöter, mit seiner drallen Geliebten. Und wenn Baldauf mit dem Cognacschwenker in der Hand von wohlmeinenden Menschen ermahnt wird, ist er nur noch Harald Juhnke, der mit seiner Sucht kokettiert: der versoffene Onkel, den wir doch alle irgendwie in der Familie haben. Und wie Baldauf bei der Strandpartie den Arm um die Enkelin legt, erinnert uns das nicht an Juhnke, der, umzingelt von den Medien, in einem Hotelzimmer mit einer Schülerin poussierte?
Doch der Skandal bleibt unausgeführt, die Libido des alten Mannes nur angedeutet. Der betuliche Plot weist Juhnke letztlich doch ein gülden Herz zu – immer gemäß Baldaufs, Hölderlin entliehener, Rentner-Devise: „Ein Tag kann eine Perle sein und ein Jahrhundert nichts.“ Und weil der Film ein blütenduftendes Nichts ist, eignet er sich vorzüglich zur Meditation über das Phänomen Juhnke: eine Sau, eine Perle, ein Mensch. ARNO FRANK
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