: „Wertfrei beraten“
Anita Tack, PDS-Landesvorsitzende in Brandenburg, verlangt einen offene Debatte über die Länderfusion
taz: Frau Tack, die Landesregierungen haben nur einen zögerlichen Start für einen erneuten Fusionsversuch zwischen Berlin und Brandenburg hinbekommen. Stimmt Sie das skeptisch?
Anita Tack: Skeptisch bin ich ohnehin, weil das Ganze ja ohne Konzept losgegangen ist. Der Brandenburger CDU-Vorsitzende Schönbohm hat zum Jahresende die Fusionsdebatte losgetreten und enorm Druck gemacht. Inzwischen haben wir, die Berliner und Brandenburger PDS, den anderen Parteien ein Gesprächsangebot gemacht: Wir wollen über eine Enquetekommission reden, die beide Parlamente gemeinsam einsetzen sollen. Diese Kommission soll ergebnisoffen die Möglichkeiten der Entwicklung von Berlin und Brandenburg beraten und, wenn es Sinn macht, auch über eine Fusion reden.
Berlins Regierender Bürgermeister Diepgen will eine Regierungskommission. Was ist der Vorteil einer Enquete-Kommission?
Eine Enquete-Kommission ist hälftig mit Parlamentariern und hälftig mit Experten besetzt. 1996 gab es ja eine eindeutige Absage der Brandenburger an das, was vorgelegt worden war: ein schlechter Staatsvertrag, der ein in vielen Dingen zu Lasten der Brandenburger gegangen wäre. Jetzt muss wertfrei darüber beraten werden, welche Veränderungen eine Fusion mit sich bringen würde. Was heißt es etwa, wenn für Berlin der Stadtstaatenzuschuss gestrichen wird?
Wenn Sie die Vorschläge von Diepgen hören, befürchten Sie dann, dass die PDS draußen gehalten werden soll?
Man kann den Regierungen nur empfehlen, dass sie nicht den gleichen Fehler wie vor 4 Jahren machen. Wenn man etwas gemeinsam gestalten will, dann muss man alle gesellschaftlichen Kräfte mit einbeziehen und dazu gehört als 24-Prozent-Partei natürlich auch die PDS.
Anders als beim ersten Versuch ist die PDS jetzt für die Länderfusion. Warum haben Sie Ihre Meinung geändert?
Die PDS in Berlin und Brandenburg hat ihre Meinung nicht geändert. Wir haben 1996 die Bevölkerung aufgefordert, den Vertrag abzulehnen, weil er mehrheitlich zu Lasten der Brandenburger ging und weil kein Entwurf einer neuen Landesverfassung vorlag, dem die Bürger hätten zustimmen können. Ich glaube nicht nicht, dass es im Augenblick Sinn macht, über die Fusion zu reden, weil sich die Stimmung in der Bevölkerung nicht verändert hat.
Was muss passieren?
Zunächst einmal müssen die Regierungen endlich demonstrieren, dass Zusammenarbeit überhaupt möglich ist. Es muss über die Inhalte der Zusammenarbeit geredet werden, da bietet sich ja vieles an wie zum Beispiel die Verkehrs- und die Schulpolitik. Und man muss den Leuten zeigen, dass sich ihre Lebensbedingungen durch die Fusion nicht verschlechtern werden.Interview: SABINE AM ORDE
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