: Mühe der Normen
Mit dem Besuch Günter Verheugens beginnen Türkei und EU Verhandlungen auch jenseits des Politischen
ISTANBUL taz ■ Jetzt wird es ernst im Verhältnis zwischen der Türkei und der EU. Gestern ist EU-Kommissar Günter Verheugen, der für die Gespräche mit den Beitrittskandidaten zuständig ist, in Istanbul eingetroffen. Sein auf drei Tage angesetzter Besuch wird den langen Weg der „Beitrittspartnerschaft“ zwischen der Türkei und der EU eröffnen.
Ab jetzt wird es im Verhältnis EU – Türkei eine politische und eine bürokratische Ebene geben. Auf der politischen Ebene hat Verheugen vor seiner Abreise nach Ankara noch einmal angekündigt, ohne eine substanzielle Veränderung der türkischen Kurdenpolitik werde es keinen EU-Beitritt geben. Auf der bürokratischen Ebene haben dessen ungeachtet nun die Verhandlungen über einen umfangreichen Maßnahmenkatalog begonnen, in dem beide Seiten festschreiben, welche Annäherungsschritte bis wann erfolgen sollen. Das meiste davon ist völlig unspektakulär und behandelt Fragen wie die Angleichung der DIN-Normen etc. Daneben geht es aber auch um gesetzliche Änderungen, die Wirtschaft, Justiz und demokratischen Abläufe der Türkei europatauglich machen sollen. Dazu gehören der Rückzug der Militärs aus der Politik, Minderheitenschutz, Absicherung der Meinungsfreiheit und andere Reformprozesse, auf die die EU seit langem drängt.
Während auf der ökonomischen Ebene die Angleichung seit dem Abschluss der Zollunion 1995 in vollem Gange ist und die türkische Außenpolitik sich im Verhältnis zum EU-Partner Griechenland sehr um einen Ausgleich bemüht, bleibt die Kurdenfrage ein nationales Trauma, bei dem jede Kritik von Außen als Anmaßung empfunden wird.
Jetzt soll eine interministerielle Kommission, die dem Amt des Ministerpräsidenten angegliedert ist, die Kontakte zur EU auf türkischer Seite koordinieren und letztlich dafür sorgen, dass Absprachen auch umgesetzt werden. Das entsprechende EU-Team sitzt in Brüssel. Mit ersten Ergebnissen, vor allem der Verabschiedung des Maßnahmenkataloges, rechnen beide Seiten im Herbst. JÜRGEN GOTTSCHLICH
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