: Wer kriegt wie viel ab?
In Washington wird über die Verteilung der 10 Milliarden Mark Entschädigung für Zwangsarbeiter gestritten
BERLIN taz ■ Bei der Verhandlungsrunde in Washington zur Entschädigung der Zwangsarbeiter ist kein Durchbruch gelungen. Die Gespräche sollen am 21. März in Berlin fortgesetzt werden, teilte Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye gestern mit. Nach der 10-Milliarden-Zusage der Bundesregierung und der deutschen Industrie geht es um die Verteilung der Gelder.
Strittig ist, ob innerhalb des Fonds ein „Zukunftsfonds“, der der Erinnerungsarbeit zu den Naziverbrechen dienen soll, tatsächlich mit einer Milliarde Mark alimentiert werden soll. Umstritten ist weiter, ob es bei einer Milliarde zur Begleichung von Vermögensschäden infolge rassischer Verfolgung bleibt.
Ist eine Milliarde für den „Zukunftsfonds“ zu viel?
Jewish Claims, die Opfervertretung der jüdischen Seite, hat selbst geschätzt, dass Ansprüche in maximal 100 Millionen Mark geltend gemacht werden können. Nach der bisherigen Regelung würde der Rest der Summe der Claims Conference für karitative Zwecke zufallen. Hiergegen stemmen sich die osteuropäischen Regierungen. Sie wollen proportional beteiligt werden.
Heiß umstritten ist nach wie vor die Regelung, dass Vermögensschäden im Bank- und Versicherungsbereich, die im Rahmen der „Eagleburger-Kommission“ verhandelt werden, von den 10 Milliarden abgezogen werden. Die Zusage hierfür hatte seinerzeit der deutsche Verhandlungsführer Bodo Hombach gemacht, um der Fusion der Deutschen Bank mit Bankers Trust in den USA keine Steine in den Weg zu legen. Daraufhin hatten die jüdischen Organisationen in den USA von jeder Aktion abgesehen, fordern aber jetzt die Einhaltung der seinerzeit erfolgten Zusage.
Hombachs Zusage sollte eine Bankenfusion ermöglichen
Schwierigkeiten drohen auch bei der Anwendung des Kriteriums der Haft oder haftähnlicher Bedingungen als generelle Voraussetzung für die Entschädigung der Zwangsarbeiter. Von der tschechischen Seite wurde klargemacht, dass ein solcher Nachweis für die zur Arbeit gezwungenen Osteuropäer unmöglich ist. Die von Tschechien vorgelegten Listen enthalten deshalb keinen entsprechenden Nachweis. Ungeklärt ist ferner, ob die osteuropäischen Länder mit den Geldern rechnen können, die sie nach einem von ihnen selbst beschlossenen Verteilungsschlüssel bekommen werden. Wird sich bei einer geringeren als der vorab gemeldeten Zahl der Opfer die Gesamtsumme entsprechend verringern, oder werden die Überlebenden mit einem entsprechend höheren Geldbetrag rechnen können? Nach Auffassung der deutschen Industrie soll der Rechtsschutz in den USA durch ein „statement of interest“ der US-Regierung umfassend sein. Demgegenüber erklärt Washington, dass eine solche Erklärung nur bei einem umfassenden Charakter des Fonds denkbar sei. Deshalb wird sich der Rechtsschutz nur auf zukünftige Klagen wegen Zwangsarbeit und Vermögensschäden durch individuelle Verfolgung beziehen.
CHRISTIAN SEMLER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen