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„Hoffmann erklärt die Senatspolitik zur Propagandalüge“

■ Bürgermeister Henning Scherf (SPD) sieht nur niedersächsische Missverständnisse – Grüne: „Unsinn“

Am Rande eines förmlichen Besuches bei EU-Präsident Romano Prodi wolle er „Missverständnisse“ über das Konzept seines Staatsrates „aufklären“, hat Bremens Bürgermeister Henning Scherf erklärt. Er hält Hoffmanns Konzept einer Landesgrenzen-übergreifenden „Regionalkörperschaft“ für eine „hervorragende Idee“. Keineswegs sei es aber so, dass sich Bremen damit „auf Kosten seiner niedersächsischen Umlandgemeinden sanieren“ wolle. Das Konzept habe „eine gelungene Sanierung geradezu zur zwingenden Voraussetzung“.

„Das ist Unsinn“, sagt der grüne Dieter Mützelburg dazu. Wenn Scherf bis zur Seite 21 des Papiers gelesen hätte, wäre er dort auf die Formulierung vom „Ausgleich zugunsten der Finanzkraft und Aufgabenstellung“ des Oberzentrums Bremen gestoßen. Hoffmann schreibt ziemlich klar, sein Modell solle „direkte Finanztransfers zwischen Niedersachsen und Bremen sicherstellen“.

Auch das zweite „Missverständnis“ ist keines: Hoffmann beschreibt die Hoffnung auf Einwohner-Wachstum als „normativ umfunktionierte Modellrechnung“, die derzeitige Sanierungsstrategie, die darauf setzt, als „Sackgasse“. Mützelburg erinnert daran, dass Hoffmann in der Pressekonferenz erklärt hat, mit der derzeitige Senatsstrategie brauche Bremen zum Überleben als Land eine Verdoppelung der Finanzausgleichszahlungen. Weil dies illusionär ist und Bremen ein „Siechtum“ (Hoffmann) drohe, müssten andere Wege gesucht werden. Mützelburg: „Hoffmann erklärt die Senatspolitik zur Propagandalüge.“ Scherf sei offenbar über die Reaktionen aus Niedersachsen erschreckt und rede daher alles zum „Missverständnis“.

Mützelburg spricht sich für grenzüberschreitende Gremien aus. Da müsse aber auch die Bürgerschaft Kompetenzen abgeben. In dem Hoffmann-Papier wird nur festgestellt, die Ebenen von „Landkreis“ und „Regierungspräsidium“ würden überflüssig.

Die Bremer Grünen wollen sich Mitte März mit ihren niedersächsischen Parteifreunden zusammensetzen, um über das Thema zu reden. Bisher haben die niedersächsischen Grünen sich vor allem für eine Gemeindereform eingesetzt. Im Bremer Umland stünde die Überwindung der Zersplitterung an. „Damit könnte auch Hannover nicht klarkommen“, äußert der Landtagsabgeordnete Enno Hagenah Verständnis für die Bremer Gedankenspiele. Das niedersächsische Umland müsse sich verwaltungstechnisch zu einer Region zusammenschließen, um dann mit Bremen „auf Augenhöhe“ verhandeln zu können. „Finanztransfers“ im Rahmen des niedersächsischen kommunalen Finanzausgleiches könne Bremen aber nicht erwarten, sagt der Hannoveraner Grüne, „dafür müsste Bremen seine Selbständigkeit aufgeben.“

Hoffmann war immer schon ein Skeptiker gegenüber dem Sanierungs-Kurs. Als 1993 die Vereinbarung mit dem Bund geschlossen wurde, stimmte Hoffmann dagegen. Scherf, damals Wissenschaftssenator, ging im Senat nicht ganz so weit: Er enthielt sich. K.W.

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