piwik no script img

Im Rhythmus der Milchpumpen

Durch die dramatische Welt frisch gebackener Eltern führt die Zeitschrift „Baby“

Ein Kind zu bekommen ist für „beide“ nicht leicht. Die Welt färbt sich aschgrau. Man fühlt sich hilflos, vom Schicksal furchtbar verdroschen. Und es tut so weh. Junge Eltern nehmen fremden Ratschlag daher bereitwillig an. Nicht von der Oma, wie es alter Brauch wär’, sondern viel lieber, eigentlich am liebsten von „amerikanischen Wissenschaftlern“. Und wenn die Belehrung auch noch ganz umsonst ist, dann hat man es sogar am allerliebsten, denn die Fixies „Wohlfühlwindeln“ sind teuer, das niedliche Strickjäckchen spannt auch schon wieder über dem gar nicht mal so kleinen Wanst, und die wöchentliche Krabbelgruppe mit anschließendem Frustsaufen der Herren geht auch ganz schön ins Geld.

Gut, dass hier die Zeitschrift Baby, das Apothekenpendant zur Bäckerblume, in die monetäre Bresche springt und praktische Aufklärung an der Basis leistet. Es macht schließlich sonst keiner. Und es gibt so viele Fragen. Was etwa ist zu tun, wenn der kleine Wurm Blähungen hat wie ein Großer? Zum Weglaufen ist das. Was also tun? Der verantwortungsbewußte Baby-Leser greift zur „Windsalbe ®“: „Beugen Sie natürlich vor: Bäuchlein freimachen. Windsalbe um den Nabel kreisförmig einmassieren.“ Und dann nur weg. Schnell wie der Wind.

Ohnehin muss das Problem erst noch geboren werden, das von diesem Fachblatt nicht gelöst wird. Zum Beispiel haben kranke Bälger oftmals keinen großen Appetit. Der weltweise Babybote beruhigt: „Lieblingsspeisen rutschen immer!“ Ansonsten rät man zur Besonnenheit, gerade wenn die kleinen Larven sich mal wieder etwas anstellen oder simulieren: „Zwingen Sie Ihr Kind nicht zum Essen – der Körper holt sich, was er braucht.“ Und wenn nicht, hat man sich fürs Frühstück ein besonderes Schmankerl gedacht: „Lustige Kinderflakes in Form von Tieren, Märchenfiguren oder Früchten verführen auch kleine Frühstücksmuffel zum Löffeln. Günstig: wenn Sie auch ungesüßte Flocken dazumischen.“ Ungünstig: wenn Sie kübelweise nachsüßen müssen, weil der Pamps sonst stehen bliebe.

Das Hochglanzmagazin weicht unpopulären Fragestellungen keineswegs aus: „Wie gefährlich ist die Nuckelflasche?“ Und es stellt gern Erfindungen vor, mit denen die Last des Elternwerdens sich in eine einzige Lust verwandelt – zum Beispiel die „Avent Isis-Milchpumpe“. „GK“ aus Monheim ist zwar dummerweise etwas grobmotorisch disponiert, aber selbst sie schwärmt: „Besser als jede elektrische Milchpumpe und natürlich wesentlich handlicher.“ Natürlich! „ND-C“ aus Velbert ist eine moderne souveräne Frau mit einem ausgeprägten Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Bewegungsfreiheit – und auch sie kann sich eines kleinen zufriedenen Schnurrers nicht entraten: „Die Pumpe hat mir Unabhängigkeit gegeben. Sie war sehr sanft und hat mir die Stillzeit sehr angenehm gemacht.“ Sogar ein Ehemann meldet sich zu Wort, „HS“ aus Böhlen, offenbar ein passionierter Hobbyklempner mit leicht sadistischer Ader: „Sehr bedienerfreundlich. Vor allem gefällt mir das einfache Zusammensetzen der Teile und dass ich den Pumprhythmus selbst bestimmen kann.“ Der Masochist „BS“ aus Würzburg hingegen hat das Gerät einfach ins autoerotische Liebesspiel eingebaut – mit großem Erfolg: „Klein, handlich und unglaublich effektiv. Ich hätte nie gedacht, dass eine Handmilchpumpe so viel Kraft hat und dabei so sanft ist.“ Man muss es wohl glauben, hier hat die Wissenschaft wirklich einmal neue Wege gewiesen.

Und was bleibt nach der Lektüre dieses feinen Journals? Butter bei die Babys – und rasch bei „Baby Butt“, Buttstraße 2, 86646 Buttenwiesen den neuen Katalog angefordert! Denn dort finden sie so ziemlich alles – auch „Hochstühle“. Niedlich, sogar für den Kleinen vom Förster ist etwas dabei. FRANK SCHÄFER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen