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Rettung in der Silvesternacht

■ Roland Böttger bekam in Hannover eine neue Lunge / Ohne Transplantation wäre der 24-jährige vermutlich bald an einer Stoffwechselkrankheit gestorben

Roland Böttger aus Leipzig wirkt noch etwas bleich und wacklig auf den Beinen. Über die Flure der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) geht er meist mit weißem Umhang und grünem Mundschutz. In den Adern seiner dürren Hand steckt eine Kanüle, über seinen gesamten Brustkorb schlängelt sich von links nach rechts eine frische Narbe. Aber er kann wieder atmen. Roland Böttger bekam am 31. Dezember in der MHH eine neue Lunge. Hätte das fünfköpfige Ärzteteam nicht trotz gewisser Bedenken in der Nacht des Jahrtausendwechsels operiert, wäre Böttger mit großer Wahrscheinlichkeit im Januar gestorben. Und jetzt wünscht er sich nur eines – „ein normales Leben“ ohne Beatmungsgerät.

Recht schnell nach der Geburt des jetzt 24-Jährigen bemerkte seine Oma die trockenen Lippen des Babys. Die Ärzte diagnostizierten Mukoviszidose, eine angeborene Stoffwechselkrankheit, die Lunge, Gallenblase, Leber und Darm angreift. Rund 7.000 Menschen leiden bundesweit daran. „Die Lunge funktionierte immer schlechter“, sagt Böttger. „Ich hatte Atemnot schon bei der kleinsten Bewegung, wie beim Treppensteigen.“ Zunächst hatte er sich gegen eine Transplantation gesträubt, „weil es was Neues ist, dass will man nicht so ran“. Dann habe er sich doch entschlossen.

Am 31. Dezember lag Böttger in der Uniklinik in Leipzig. Vormittags kam eine Schwester ins Zimmer und sagte, es gebe ein Organ für ihn, er werde nach Hannover geflogen. „Ich hab dann gebeten, dass meine Mutti angerufen wird, damit sie auch Bescheid weiß.“ Die Zeit drängt bei derartigen Eingriffen. „Die Lunge muss vier bis fünf Stunden nach der Entnahme wieder eingesetzt werden“, erklärt Dr. Martin Stüber. Er operierte Böttger vier Stunden lang.

Während in Hannover das Spenderorgan aus einem europäischen Nachbarland eingeflogen wurde, bestieg Böttger den Hubschrauber nach Hannover. Stüber: „Da kamen zwei Dinge zusammen: einmal konnte man die Transplantation nicht absagen, dann gab es aber noch die vermutete Unsicherheit der technischen Systeme über den Jahreswechsel.“ Um 20.00 Uhr schließlich begannen die drei Chirurgen und zwei Narkoseärzte mit dem Eingriff. „Wir hatten alle Geräte doppelt, einige im Batteriebetrieb, zusätzliche Gasflaschen, einige Systeme waren dreifach abgesichert“, sagt Stüber. 20 Sekunden nach Mitternacht – draußen knallten Böller und Raketen, lagen sich die Menschen in den Armen – war der Eingriff erfolgreich beendet. Sehr schnell. Prof. Axel Haverich, Leiter der Thorax-Chirurgie: „Es gibt derartige Eingriffe, die länger als elf Stunden dauern.“

Wie lange er noch in der MHH bleiben müsse, weiß Böttger noch nicht. Ein halbes Jahr etwa seien jetzt noch Therapien angedacht. Dann könne er wieder an seine Arbeit als Industriekaufmann denken. Kontakt hält Böttger mit seinen Freunden und seiner Familie in Leipzig über sein Handy. „Viel telefonieren und SMS-Kurznachrichten schicken, sie sind bestens informiert.“

Die erfolgreiche Operation in der Silvesternacht war die 1.000. Brustorgan-Transplantation in der Geschichte des MHH in Hannover. Das erste Herz wurde hier vor 17 Jahren verpflanzt, die erste Lunge 1988, sagt Haverich. Inzwischen sei die MHH europaweit führend bei der Verpflanzung von Lungen. Diese Operation sei „vier schwieriger“ als eine Transplantation eines Herzens, sagte Haverich. Die MHH liege auch beim Erfolg der Eingriffe im internationalen Vergleich vorn. Nur acht Prozent der Patienten mit neuem Herzen oder neuer Lunge überleben die ersten 30 Tage nicht.

Hartwig von Saß, dpa

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