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Gleichberechtigte Erstattung

Naturheilverfahren auf Krankenschein: Die kleine Betriebskrankenkasse Securvita hat im Rechtsstreit mit dem Bundesversicherungsamt bisher die Nase vorn

Das Kapital eines Fußballers ist ein intakter Körper. Herthas Mittelstürmer Michael Preetz vertraute seinen eigenen vor einem Jahr der Naturmedizin an, um einer Leistenoperation zu entgehen. Nach einer Osteopathie-Behandlung konnte er die geplante OP absagen. Wäre Preetz bei der AOK versichert, hätte er für die Rettung vor dem Skalpell selber löhnen müssen. Denn die AOK hätte die Erstattung verweigert, weil es sich um ein „nicht anerkanntes Verfahren“ handelt.

Eine Hamburger Betriebskrankenkasse hat nun seit 1997 damit begonnen, ihren Patienten verschiedene Naturheilverfahren zu bezahlen. Für einen Beitragssatz von 12,1 Prozent ersattet die Securvita „gleichberechtigt Kosten für Schul- und Naturmedizin“. Dabei nutzt sie eine Regelung im Sozialgesetzbuch auf großzügige Weise aus, nach der „besondere Therapierichtungen“ von der Erstattung nicht ausgeschlossen sein dürfen.

Anfang dieses Jahres sollte der kleinen Kasse die problemlose Anerkennung von Naturheilverfahren zwar ausgetrieben werden. Doch inzwischen hat sie die Nase wieder vorn: Das Sozialgericht Lübeck entschied, dass sich die inzwischen 50.000 Securvita-Versicherten (davon 3.000 in Berlin) weiterhin unbürokratisch statt Chemiekeulen sanfte Verfahren wie Homöopathie, anthroposophische Medizin und Pflanzenheilkunde verschreiben lassen können. Auch für Akupunktur gibt es einen Zuschuss – mit 70 Mark doppelt so viel wie bei der AOK.

Beklagt hatten sich darüber andere Krankenkassen. Die Hamburger, so hieß es, schlügen unrechtmäßig Publicity aus ihren Leistungen: Manche ihrer Angebote wie die Hydrotheraphie gehören zum gängigen Programm aller Kassen. „Die Securvita war früher eine kleine marode Schifffahrts-BKK“, sagt Jörg Bodanowitz, Sprecher der Deutschen Angestellten-Kasse (DAK). Der ehemalige „Insidertip in Anthroposophenkreisen“ ziele nun auf Menschen ab, die nur selten Kassenleistungen in Anspruch nähmen: „gesundheitsbewusste Leute bis 40, mobil und fit“. Diese „Risikoselektion“ würde das System „aushebeln“, so dass andere Kassen auf den teuren Versicherten sitzen blieben.

„Das Argument hat einen Riesenbart“, kontert Norbert Schnorbach von der Securvita. „Zu uns kommen auch richtig fertige Leute, die alle Instanzen der Schulmedizin durchlaufen haben und ‚austherapiert‘ sind.“

Das klageführende Bundesversicherungsamt (BVA) wirft der Securvita weiter vor, Heilmethoden mit einem entscheidenden Mangel anzupreisen: Ihnen fehlt das grüne Licht vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (BA). Dort entscheiden Mediziner und Kassenvertreter darüber, welche neuen Verfahren in den Leistungskatalog der Kassen kommen.

Die meisten Kassen halten sich an diese Empfehlungen. In Hamburg wollte man jedoch nicht warten, bis die sanfte Medizin die Skepsis der Schulmediziner überwunden hat. Bisher liegen wenig Studien zur Wirksamkeit von Naturheilverfahren vor, zudem haben Schul- und Naturmedizin so unterschiedliche Erklärungsansätze, dass eine allgemeingültige Beurteilung neuer Methoden an Grenzen stößt.

„Das Problem der Naturheilverfahren ist, dass sie von exotisch-schillernd bis zu seriös-erprobten Formen reicht“, sagt Schnorbach. „Unsere Aufgabe ist es, diese voneinander zu trennen.“ Die Kasse will deshalb anerkannte grüne Medizin im Gesundheitswesen verankern. Zur Gründung 1997 habe das BVA dies auch genehmigt. Doch dann „wurde wohl jemand zurückgepfiffen oder von anderer Seite interveniert“, vermutet Securvita-Sprecher Schnorbach. Er weiß von deutlichen Briefen der Konkurrenz, die vom BVA Maßnahmen forderte.

Das Amt ist Aufsichtsbehörde der Kassen und ordnete per Sofortvollzug an, jeden Behandlungsfall erst einzeln zu prüfen. Nachdem das Gericht aber zugunsten der Kasse entschied, wird der Streit künftig in höheren Instanzen verhandelt.

Kassen wie die BKK Post in Stuttgart haben einen risikoloseren Weg gefunden, Patienten zur Therapie ihres Vetrauens zu verhelfen. Diese können sich dort seit 1998 in einem Modellprojekt bei ausgewählten Ärzten einigen traditionellen Naturheilverfahren unterziehen. Auch hier gehe das nur über eine Gesetzeslücke, sagt Sprecherin Boris Glimpel. Doch man „blase das Angebot nicht in die Öffentlichkeit hinaus“. Denn das Budget für das Projekt ist eh begrenzt.

MARGRET STEFFEN

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