: Die Berliner das Denken lehren
Vorbei die Zeit, als der ehemalige Bonner Eckart Werthebach als bloßer Verwalter geschmäht wurde. Mit einer effektiven Mischung aus Strukturreform und Ideologie krempelt der Innensenator die alten Berliner Verhältnisse um
von BARBARA JUNGE
Kürzlich hat er sich eine schöne Wohnung angesehen, im Berliner Westen. „Wenn das klappt, wohne ich bald in Charlottenburg“, erzählt der Berliner Innensenator zuversichtlich. Vorbei ist es dann mit der Zeit im Gästehaus des Berliner Senats. Vorbei mit der Zurückhaltung des Innenpolitikers in Berlin.
Eckart Werthebach – der ehemalige Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Experte aus den Bonner Sicherheitsbehörden – ist nach seiner Bestätigung im Amt in der Hauptstadt angekommen. Und das bekommt die Hauptstadt nun zu spüren.
Als Werthebach vor gut einem Jahr sein Amt als neuer Berliner Innensenator angetreten hatte, war er als „Beamter geschmäht worden, als „kein Politiker im eigentlichen Sinne“, als ein „Verwalter“, als ein Mann, der sich lieber auf formale Absicherungen zurückziehe. Der Bundestagsinnenexperte der SPD, Wilfried Penner, urteilte: „Kein politisches Vollblut.“ Der Tenor war einhellig und niemand in Land und Bund bescheinigte dem Zögling Kanthers politisches Format.
Doch seitdem Werthebach im Oktober als Innensenator bestätigt wurde, zeigt der CDU-Mann seinen Kritikern, wie mit unnachgiebiger Strukturpolitik und ideologischen Vorsätzen effektiv Politik gemacht werden kann.
Jahrelang wurde in Berlin um das Polizeigesetz gerungen, unter Werthebachs Ägide einigte man sich mit der SPD schnell auf einen Kurs der Verschärfung. Das neue Einwanderungsgesetz der rot-grünen Bundesregierung wusste er im Chor mit den konservativ regierten Bundesländern zu torpedieren. Und gegen die in der Hauptstadt schon lange vor seinem Amtsantritt ausgiebig debattierte Demonstrationsflut hat er einen Kreuzzug ausgerufen, der allmählich Wirkung zeigt.
Werthebach hat die Steifheit, die ihn zu Beginn seiner Amtszeit vor gut einem Jahr kennzeichnete, abgelegt. Ein kleines bisschen runder ist sein Gesicht geworden, ein freundliches Lächeln hier, ein Foto dort und stets die Ausstrahlung von Gewissheit. Gewissheit, den Berliner Verhältnissen überlegen zu sein. „Ich bringe eben aus meiner bisherigen Tätigkeit eine besondere Erfahrung mit“, teilt Werthebach lächelnd mit.
Im vergangenen Jahr musste Eckart Werthebach noch zahlreiche Pannen der ihm unterstellten Behörden erdulden. Die spektakulärste: vier tote Kurden vor dem israelischen Generalkonsulat. Nicht nur, dass die Polizei vor Ort die Taten nicht verhindern konnte. Vor allem der Landesverfassungsschutz hatte bei der Vorfeldaufklärung versagt. Für negative Schlagzeilen sorgten auch die zu Unrecht angestellter Korruptionsermittlungen bei der Polizei. Wahrlich kein guter Start für einen ehrgeizigen Hardliner wie Eckart Werthebach.
Doch Werthebach räumt auf. „Heute würde ich alle verfügbaren Beamten losschicken, so etwas wie am Konsulat würde nicht mehr passieren“, sagt er selbstsicher.
Werthebach redet nicht nur, er handelt auch. Beim Landesamt für Verfassungsschutz zum Beispiel, das über Berlin hinaus den Ruf hat, ein Erkenntnisverhinderungsapparat zu sein, und dessen Abschaffung die Berliner Grünen vehement fordern. „Fürs Erste tausche ich so an die 15 Leute im Landesamt für Verfassungsschutz aus“, teilt Werthebach mit. „Insgesamt müssen da aber noch mehr gehen, so 25 etwa.“ Das sind immerhin 15 Prozent des Amtes. Die Führungsetagen des Landesamtes (LfV) sind ebenfalls im Visier des Senators. Die Restrukturierung ist bereits organisiert, bis Ende dieses Monats will Werthebach sie umgesetzt sehen. Manch einer der LfV-Mitarbeiter findet sich schon jetzt an einem anderen Schreibtisch wieder.
„Da sitzen Leute seit 25 Jahren auf ein und demselben Posten, das geht einfach nicht“, konstatiert das personifizierte Aufräumkommando. Selbst der Chef muss seinen Hut nehmen. Eduard Vermander, bis jetzt Chef des LfV, hat seinen Abschied bereits angekündigt.
Die schon länger geplante Umstrukturierung der Berliner Polizei wirkt unter Werthebach wie ein Handstreich. Plötzlich gelingt es, die Behörde zu einer schlanken Einrichtung mit wenigen entscheidenden Führungspersonen und damit weniger Reibungsverlusten umzukrempeln. Einen neuen Polizeivize hat er auch in Aussicht. „Ich bin zuversichtlich“, bemerkt Werthebach, „dass wir die Unregelmäßigkeiten in der Polizeiführung schnell in den Griff bekommen.“
Mit der Gewerkschaft der Polizei trägt Werthebach auch sein Sträußchen aus. „Während der Sparorgien im Senat habe ich erfolgreich dafür gekämpft, dass die Polizei nicht geschoren wird. Aber jetzt muss klar sein, dass die Polizei auch eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft trägt.“ Die Polizisten werfen dem Senator vor, die Überlastung der Beamten nicht wahrzunehmen und das Gespräch zu verweigern. „Das ist nicht wahr“, meint der Senator und holt sich die Gewerkschaft mit Gesprächsangeboten ins Boot.
Mit geschickten Schachzügen versteht es der geschulte Sicherheitsmann, die Verhältnisse umzukrempeln. Während bisher die Berliner Staatssekretäre der Innenverwaltung stets wie Traditionsgut weitergereicht wurden, hat sich Werthebach ein neues Team zusammengestellt.
Für die Verbindung zum alten Berlin – oder wie er sagt „zu den Parteien im Parlament“ – leitet CDU-Urgestein Rüdiger Jakesch die Geschicke als Staatssekretär. Dazu hat sich Werthebach eine alte Vertraute aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz an die Seite gestellt. Mathilde Koller, eine Verwaltungs- und Sicherheitsexpertin, die lange Jahre in Ostdeutschland gearbeitet hat.
Koller insbesondere soll ihm beim Umkrempeln des Apparates helfen. „Eine Frau als Vorgesetzte ist immer besser“, so Werthebach, „Frauen können Mitarbeiter besser motivieren.“ Und motivieren, das heißt für den Import: verändern. Denn in Berlin sei ja das „Karrierebewusstsein“ nicht besonders ausgeprägt. Ein vom Senator ungeliebter Nährboden für das „Indiskreditionieren“, den Klüngel und die Erstarrung. Das soll jetzt mit Hilfe von Mathilde Koller anders werden.
Die organisatorischen Maßnahmen sollen zweierlei bewirken: die Macht des Senators zu stärken und ein System zu schaffen, das bereit ist, seine Vorstellungen von Sicherheitspoltik umzusetzen. Dabei geht es ihm nicht allein um die formalen Strukturen. Die „Denke“ will er ändern.
Was ihm nicht passt, ist die provinzielle Präsentation, die Unruhe, die widerspenstige politische Landschaft Berlins, die Berliner Art, Politik zu machen. Das Mauscheln, das Klüngeln, der schwarz-rote Filz, der die Besetzung des Sicherheitsapparates dominiert sowie anderer Institutionen.
Zu Beginn seiner Amstzeit hatte sich Werthebach gleich ins Fettnäpfchen gesetzt. Mit einem Erlass, als Maulkorberlass geschmäht, wollte er die klüngelhafte Art der Informationsverbreitung in der Stadt unterbinden: die Weitergabe von sicherheitspolitischen Details mit politischen Absichten. Inzwischen stellt er sich geschickter an. „Das Indiskreditionieren muss aufhören“, hat er als Devise ausgegeben. Inzwischen, berichten Untergebene, herrsche in der Polizei viel Misstrauen. Man überlege sich sehr gut, was man weitergebe.
Steter Tropfen hölt den Stein – so könnte man die Praxis des Taktikers Werthebach umschreiben, die Berliner Verhältnisse auf Kurs zu bringen. Das zeigt sich auch am Beispiel der von Verwaltungsgerichten aufgehobenen Demonstrationsverboten: „Die Verwaltungsgerichte werden ihre Praxis ändern“, sagte Werthebach mit der Arroganz der Macht.
Nazis am Jahrestag der NS-Machtergreifung am Brandenburger Tor, das kam dem Hardliner gerade recht. Im Januar zogen Glatzköpfe durch die Mitte Berlins, und der Innensenator hatte seinen Hebel gefunden für das, was ihm ohnehin am Herzen liegt: missliebige Demonstrationen aus dem Herzen der Hauptstadt zu bannen.
Dafür propagiert er Gesetzesänderung, ohne darauf zu bestehen. Denn nicht der Weg ist für ihn entscheidend. Werthebach weiß Stimmungen zu erzeugen und damit sein Ziel durchzusetzen. Das Verbot einer Nazi-Demonstration vor zwei Wochen hat das Verwaltungsgericht bestätigt – und damit die Effektivität Werthebachs taktischer Vorgehensweise.
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