: CDU kehrt Scherbenhaufen auf
Nachfolger als schleswig-holsteinischer Landesvorsitzer wird wohl Wadephul ■ Von Peter Ahrens
Neumünster preist als seine Sehenswürdigkeiten die Fußgängerzone Kuhberg, den Marktplatz Großflecken und den Zentralen Omnibusbahnhof. CDU-Generalsekretärin Angela Merkel und ihr Bundesvorsitzender auf Abruf, Wolfgang Schäuble, konnten zusätzlich gestern abend noch einen Scherbenhaufen namens Nord-CDU besichtigen. Schäuble und Merkel kamen zur Regionalkonferenz der schleswig-holsteinischen Union nach Neumünster, aber das war gestern fast Nebensache. Nachdem Landeschef Peter Kurt Würzbach am Sonntag seinen vorzeitigen Rücktritt vom Parteivorsitz verkündet hat, fängt man in der Union wieder mal von unten an.
Da aber allem Anfang auch ein Zauber innewohnt, könnte es diesmal mit dem Neubeginn der Küsten-CDU tatsächlich klappen. Was nach dem Barschel-Desaster aus den späten 80ern als Re-Start verkauft wurde, war bisher meistens neuer Wein in alten Schläuchen. Ob Berufssoldat Peter Kurt Würzbach oder sein inzwischen verstorbener Vorgänger Ottfried Hennig – die Christdemokratie an der Küste war immer Garant für Rechtskonservatismus vom alten Schlag: alt gewordene kalte Krieger. Reformer oder Pseudo-Reformer hatten hier jahrelang so gut wie keine Chance.
Das hat sich paradoxerweise erst mit dem Engagement Volker Rühes als Spitzenkandidat für die Landtagswahl geändert – Rühe, der selbst in der Partei als Kohl-Zögling längst als einer von gestern gilt. Und trotzdem einer, der auch aufgrund seiner rüden Art den Rechtsclub im Norden aufgefrischt hat. „Bei der schleswig-holsteinischen CDU gilt Rühe schon als Linksradikaler“, hat der scheidende grüne Umweltminister des Landes Rainder Steenblock gespottet. Im Windschatten des Harburgers hat sich im Wahlkampf der quirlige 37-jährige Generalsekretär Johann Wadephul etabliert, einer, der sich als Modernisierer verkauft und jetzt seine Chance auf die Würzbach-Nachfolge wittert.
„Der Generationenwechsel hätte irgendwann ohnehin angestanden“, sagt Parteisprecher Timo Scheil, jetzt kommt er früher als erwartet. Die Reibereien nach der Landtagswahl, als die Rivalitäten zwischen Würzbach und Rühe offen auftraten, haben letztlich dazu geführt, dass beide jetzt weg vom Fenster sind und die Lücke für Wadephul oder den Europaabgeordneten Reimer Böge da ist – wobei Wadephul die deutlich besseren Karten haben dürfte. „Das sind zwei Namen, die auch bei uns diskutiert werden“, bestätigt Scheil.
Ein vorgezogener Parteitag im Juli könnte vor der Sommerpause den Generationswechsel vollziehen. Der geschäftsführende Vorstand hat gestern schon mal darüber beraten. Den Segen der wohl künftigen Parteichefin Angela Merkel hätte dieses Vorgehen auf jeden Fall: Ein Landesvorsitzender Wadephul in Kiel, der sich ebenso wie sie als HoffnungsträgerIn geriert und den Landesverband auf Merkel-Linie trimmt – das wäre wieder ein Stück Hausmacht mehr für die Noch-Generalsekretärin der Bundespartei.
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