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Tanz den Italo Calvino!

■ Rui Hortas Auftritt beendete das „Tanz-Bremen“-Festival

Früher mal tanzte Rui Horta den Paul Watzlawick. Auch das aktuelle Stück soll sich hochkultureller Inspiration verdanken, und zwar der von Italo Calvinos unvollendeten Buch „Sechs Vorschläge für das neue Jahrtausend“. Bis zu seinem Tod 1985 kam der Autor dazu, der Menschheit immerhin fünf Tugenden ans Herz zu legen: Leichtigkeit, Schnelligkeit, Genauigkeit, Sichtbarkeit, Vielfältigkeit. Das kann man in Rezensionen nachlesen, sehen tut man's nicht.

Statt die Utopie einer besseren Spezies zu tanzen, ergehen sich die sechs Tänzer in den tanztheaterüblichen Rangkämpfen inklusive diversester Anziehungen und Abstoßungen. Wenn sie nicht gerade damit beschäftigt sind, ihre eigenen widerspenstigen, den Dienst verweigernden Gliedmaße halbwegs ordentlich zusammenzuraffen (meist vergeblich), dann begegnen sie ihren Mitmenschen voller Skepsis und Verdacht, versperren sich gegenseitig den Weg, errichten Barrieren, kontrollieren die Haltung des anderen, ziehen sich zu Boden. Obwohl sich die Menschen in dieser Produktion also nicht viel Gutes tun, ist das optische Ergebnis elegant, graziös, elastisch, sinnlich, schön. Und genau das könnte ein Problem sein. Zwar mag man der Ansicht sein, dass auch Konflikte und Verunsicherungen zu einem vollständigen Leben dazuzählen, ein bisschen weh tun sollte so was beim Zuschauen aber vielleicht schon. Stattdessen summiert sich hier alles zu einem wundervollen, langen Fluss, der allerdings eher springlebendig als ruhig ist.

Und ein Fluss steht auch im Zentrum des Geschehens. Auf vier Leinwänden sehen wir jeweils dasselbe Strömungsbild, und so ist diese kleine Videoinstallation eine schöne Metapher für die ewige Wiederkehr des Gleichen im ununterbrochenen Fließen. Der Fluss heißt übrigens Isar, weil Rui Horta nach sechs umjubelten Produktionen seiner S.O.A.P.-Company Frankfurt verlassen musste wegen der üblichen leidigen Einschnitte im Kulturetat, weil er in München für drei Jahre einen neuen Unterschlupf fand, weil dort die Produktion in der Muffathalle direkt am schönsten Isarflimmern erarbeitet wurde. Einen der Tänzer zieht es zu diesem sanften virtuellen Strömen und Schnellen hin, ein anderer dagegen arbeitet lieber an einem klitzekleinen Stück wirklichen Nass: Im Laufe der Zeit spuckt er einen kleinen Glaskasten voll.

Die anderen TänzerInnen lassen sich mal zum kleinen stillen Wasser, mal zum großen Sprudeln locken – oder auch nicht. Manchmal aber interessieren sie sich mehr für Höhengewinn: Zwei senkrechte Stangen sind zu diesem Zwecke dienlich. Durch derlei Abstraktionen schafft es Rui Horta, vom Leben zu erzählen ohne sich auf bestimmte Themen und Inhalte festzulegen. Am Ende ist der Fluss durchbohrt und zerfetzt und das Aquarium ausgeschüttet.

Fließen tun nicht nur der Fluss und die Bewegungen der Tänzer, sondern auch die luftige Musik, mit ihren ruhigen, nur schleichend wechselnden Beats ziemlich tranceartig. So wirkte alles teils betörend und suggestiv, teils allzu hübsch und glatt in Anbetracht der großen Themen. Bei so einem Aus-einem-Guss-Stück, in dem sich nicht viel Neues tut, geht natürlich nach einer Stunde im Publikum das große Uhrengucken los. Trotzdem wird am Ende geklatscht und geklatscht und geklatsch ... bis die Hände zu blutigen Fetzen werden. Das Publikum ist sich hier schon ganz arg bewusst, kultig am Puls der Zeit zu lauschen. bk

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