Richtungswechsel oder Schnellschuss?

■ Bei den Grünen tobt hinter den Kulissen ein Streit über die Grundfeste der grünen Migrations- und Ausländerpolitik

Am Sonntag um 17 Uhr war Showdown im Büro der Grünen an der Schlachte. Die Landesvorstandsmitglieder Wolfram Sailer und Christina Bremme, ergänzt durch Ex-Vorstandsmitglied Jörg Hutter, trafen sich mit dem innenpolitischen Sprecher der Bürgerschaftsfraktion, Matthias Güldner. Klar Schiff sollte gemacht werden, denn Güldner hatte mit einer Presseerklärung erheblichen Wirbel bei den Grünen ausgelöst. Noch bevor Innensenator Bernt Schulte (CDU) Konkretes über den Missbrauch von Sozialhilfe durch angeblich 500 Libanesen bekannt gegeben hatte, schrieb Güldner eine Pressemitteilung: „Grüne unterstützen Innensenator“(siehe Kasten). Seitdem sind nicht nur Basisgrüne und die ausländerpolitisch engagierten Sympatisanten der Grünen, sondern auch Fraktionsmitglieder verärgert.

Zweieinhalb Stunden saßen die vier am Sonntag beieinander und „natürlich haben wir uns heftig gestritten“, sagt Sailer. Einen Dissens aber gäbe es nicht: An den Grundfesten der grünen Migrations- und Ausländerpolitik werde festgehalten. Klaus Möhle, ebenfalls Landesvorstandsmitglied, fasst zusammen: „Die Presseerklärung war zwar beschissen formuliert, aber nicht so gemeint“.

Es geht um Grundsätzliches: Wie viel Law and Order wollen die Grünen gegenüber Ausländern gutheißen und wie kommt man weg von dem Image des naiven Gutmenschentums gegenüber der Ausländer-Klientel? Nach Güldners Erklärung hatte der Landesvorstand am 1. März eine eigene Erklärung abgegeben, in der eine „differenzierte Betrachtung“ angemahnt und vor „Demagogie“ gewarnt wurde. Doch nach der Gegenerklärung war der Streit weitergegangen. Abgeordnete mussten sich auf der Straße anhören, was das denn solle. Ausländervertreter fassten sich weiterhin an den Kopf. So traf man sich also am Sonntag.

Ergebnis: Eine gemeinsame Erklärung von Güldner und dem Landesvorstand sollte die Wogen glätten. Güldner schrieb, Christina Bremme und andere redigierten. Doch als gestern mittag alles bereit schien, blieb das Faxgerät still. In der Fraktionssitzung, die um 14 Uhr begann, sprach sich die Fraktion gegen eine Veröffentlichung aus. Doch Güldner und der Landesvorstand schickten das Papier Abends dann doch noch.

„Annahmen“, Güldner fordere eine Änderung der grünen Flüchtlingspolitik seien von dem Betroffenen zurückgewiesen worden. Er bedauere den Wortlaut der Presseeerklärung, „die durch ihre Formulierung anlass zu dieser Vermutung gegeben“ hätten. „Auch sei die Unterstützung für eine möglichst genaue Aufklärung der wahren Hintergründe des Falles als politische Unterstützung für das undifferenzierte und reißerische Vorgehen des Innesenators misszuverstehen gewesen.“ Dies sei nicht die Intention von Güldners Erklärung gewesen. Der Landesvorstand stimmte Güldner im Gegenzug Güldner zu, „dass das soziale Problem, dass durch die in Frage stehenden Gruppen in einigen Stadtteilen entstanden“ sei, „nicht durch Verschweigen oder Tabuisierung gelöst werden könne“. cd