: Nur der Teddy kann noch helfen
Dortmund 0:1 in Rostock: Jens Lehmann bearbeitet nicht nur seinen Kaugummi ziemlich rabiat, sondern auch die Gegner, weswegen er wieder mal vom Platz flog
BERLIN taz ■ Borussia Dortmund, einst klassischer Arbeiterverein, mittlerweile zur scheckheftgepflegten Diva aufgestiegen, macht in diesen Wochen viel Freude: Wieder verloren – 0:1 in Rostock, hübsch dramatisch durch ein Eigentor in letzter Minute – als einziges Team ohne Sieg im Jahr 2000, untere Tabellenhälfte, im Uefa-Cup schmählich gescheitert, das eigene Publikum empört gegen sich („Scheiß-Millionäre“), den letzten Rettungsanker Trainerwechsel schon erfolglos ausprobiert, den Börsengang kleinlaut verschoben, dazu spielerische Offenbarungseide in Serie. Weh und Ach und Jammer. Der Stolz Westfalens welkt schneller als die sensibelste Schnittblume in der Hitze Gobis. Und die Fans leiden sich in höchste Höhen.
Wird alles immer schlimmer? Nein, jetzt ist Torwart Jens Lehmann in Rostock in hohem Bogen vom Platz geflogen. Das macht Hoffnung. Der 30-Jährige wird bei den Clubfreunden ohnehin eher geduldet als akzeptiert: wegen seines marottösen Kaugummikauens, wegen seines gelangweilten und arroganten Gehabes („Doch, mir macht Fußball Spass!“), wegen seiner sportlichen Fehlversuche wie das schöne „Luftloch“ zum 0:1 gegen 1860 oder das knapp misslungene Eigentor gegen Trondheim, das sicher als dämlichster Fehltritt der Fußballhistorie gegolten hätte.
Rot bekam er wegen regelwidriger Hyperaktivität. Erst imitierte er in Rostock Rammbock Toni Schumacher. Dieser besprang einst den Franzosen Battiston heimtückisch. Unbestraft irrwischte Lehmann Minuten später über den halben Platz und senste Gegenspieler Brand hemmungslos um. Schuldbekenntnis keines: „Ich denke, ich habe den Ball gespielt.“ Eine längere Sperre steht an, zumal er schon vor einem Jahr in Rostock nicht hatte zu Ende spielen wollen, als er Timo Lange an den Haaren zog und seine eigenen früher waschen, legen und föhnen durfte.
Dies ist die Chance von Teddy de Beer (36), dem altgedienten Zweittorwart, seit 14 Jahren im Club. Der wird von den Fans als „Bürgermeister vom Westfalenstadion“ (Friedrich Küppersbusch) geliebt und steht für die aufrichtig im Abstiegskampf leidende Borussia der frühen 90er-Jahre. Er kann helfen, das letzte Saisonziel triumphal zu erreichen: den Abstieg verhindern.
Dass Bobic und Dede, die neben Lehmann und Ricken affigsten Kaugummizermalmer des BVB, nächsten Sonntag gegen Bielefeld gelbgesperrt ebenfalls fehlen werden, scheint wie ein Fanal. Und wenn alles gut geht, kann man zum Saisonende auch mal die Dortmunder Kautschukmarotte analytisch hinterfragen.
BERND MÜLLENDER
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