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Feindliche Plaudereien

Da ist er wieder: Dieser weiche, matte Umschlag, der momentan Pflicht zu sein scheint für Taschenbücher von JungautorInnen. Er fühlt sich gut an, sieht auch gut aus. Zwischen den geschmeidigen Deckeln stehen meistens hippe Geschichten über die Befindlichkeit von Großstadttwens. „Das Buch der Unterschiede“ zählt auch zu diesen Exemplaren: Aus Berlin, von jungen AutorInnen – nur dass die Geschichten darin nicht nicht erfunden, sondern erlebt sind. „Warum die Einheit keine ist“, heißt der Untertitel.

Also, Politik statt Pop? Eher poppige Politik. Denn der Ansatz des Buches ist subjektiv, der Ton stets locker. In 23 Essays erzählen Ost- und Westdeutsche zwischen 23 und 36 Jahren von ihren Erfahrungen mit der jeweils anderen Seite: Die Ostteenager schauten West-TV, schwärmten zum Teil für dieselbe Musik wie Gleichaltrige jenseits der Mauer. Einige Westkinder kannten die DDR von Verwandtenbesuchen, bei denen sie Club Cola und Rhabarberkuchen probierten, andere haben von ihr nicht mehr als einen Wachturm gesehen.

Nach der Wiedervereinigung gerieten die Bilder von der anderen Seite in eine Krise. Am schwersten war das für Ostjugendliche mit einer „mentalen Westbindung“, wie etwa Maxim Leo. Er hatte als Jugendlicher mit einem von der Oma mitgebrachten Falk-Stadtplan „Westtourist“ in Ostberlin gespielt und sich schon immer als Fremder in seinem Land gefühlt. Leider war die BRD live dann doch ganz anders als in seinen Träumen.

Die unterschiedlichen Vorwendebiografien erklären jedoch nicht, warum Ostler und Westler sich heute bei jeder Begegnung „Satz für Satz auseinander katapultieren“ – so der Westjournalist Christoph Amend. Warum läuft nach einem falschen Wort die Missverständnismaschine an? Die AutorInnen antworten darauf nicht. Sie beschreiben und behaupten nur, dass es so ist. Hier liegt der Schwachpunkt ihrer persönlichen Sicht: Schief gelaufene deutsch-deutsche Partygespräche werden zum Beweis der misslungenen Einheit. Aber wo jede schlechte Erfahrung zum Argument wird, ist Beliebigkeit nicht weit. Für jedes Beispiel ließe sich ein Gegenbeispiel finden – glückliche Ost-West-Ehen etwa.

Oft überbewerten die AutorInnen ihre Erfahrungen und stilisieren dumme, klischeegetränkte Bemerkungen zu Ost-West-Gegensätzen hoch: Wenn ein Ostdeutscher immer wieder gefragt wird, ob man sich in der DDR tatsächlich bei jeder Begrüßung die Hand geschüttelt hat, ist das die gleiche Stereotypenmalerei, wie sie auch jeder Rheinländer in Bayern erlebt. Der muss sich anhören: „Ach, Ihr Preißn, redet’s immer so g’scheit daher und trinkt’s euer Bier aus viel zu kleinen Gläsern.“

Bei diesen Sprüchen kommt nie jemand auf die Idee, dass sie die Einheit gefährden könnten. Doch was soll eigentlich „die Einheit“ sein? Das ist das größte Problem des „Unterschiede“-Buchs: Dieser zentrale Begriff bleibt ungeklärt. Es gibt keine Einleitung, keinen Text, der deutlich macht, woran eine geglückte Einheit zu erkennen wäre. Stattdessen erschafft sich jedeR AutorIn eine Einheitsfiktion, gegen die es sich leicht anplaudern lässt.

Gängige Gradmesser des „Vereinigungserfolgs“, wie etwa die Arbeitsmarktsituation, bleiben ausgeblendet – ostdeutsche Arbeitslose waren wohl nicht auf den richtigen Partys unterwegs.

NADINE LANGE

Jana Simon, Frank Rothe, Wiete Andrasch: „Das Buch der Unterschiede. Warum die Einheit keine ist“, Aufbau, Berlin 2000, 236 Seiten, 29,90 DM

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