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Irans Konservative schäumen

Einen Monat nach ihrer Wahlniederlage schlagen die Gegner von Präsident Chatami zurück.Auch der versuchte Mordanschlag auf einen prominenten Reformer dürfte auf ihr Konto gehen

aus Teheran KATAJUN AMIRPUR

Der ganz große Verlierer gibt sich gelassen. Er dankt allen Wählern, denen, die ihn gewählt haben, und auch denen, die ihn nicht gewählt haben – der überwiegenden Mehrheit also. Der ehemalige iranische Staatspräsident Ali Akbar Haschemi Rafsandschani hatte auf Drängen der Konservativen bei den Parlamentswahlen vom 18. Februar kandidiert. Sie meinten, er allein könne als ein Mann des Ausgleichs fungieren und ein von Reformern dominiertes Parlament im Zaum halten. Doch statt auf den ersten Platz kam Rafsandschani auf den letzten der insgesamt 30 für Abgeordnete aus der Hauptstadt Teheran reservierten Parlamentssitze. Und auch diesen hat er wohl einem geheimen Deal zu verdanken.

Doch außer Rafsandschani geben sich alle anderen Verlierer wild. Nur von nicht korrekt nach islamischem Recht gekleideten Frauen seien die Reformer gewählt worden, und ihre Kandidaten hätten sich wie sündige Fußballspieler aufgeführt, um die Jugend zu verführen, lamentieren sie. „Die Reformer haben der Jugend Freiheit ohne Grenzen versprochen!“, schäumt Ajatollah Hamid Resa Taraki. Auch unlauteren Wettbewerb wirft man den Siegern vor. Die Kandidatin der Stadt Maschhad, eine Frau namens Chatami, habe das Gerücht gestreut, sie sei mit dem Staatspräsidenten Mohammad Chatami verwandt, und so Stimmen gewonnen. Der konservative Abgeordnete Mohammad Resa Bahonar verstieg sich gar zu der Behauptung, die Reformer hätten nur deshalb gewonnen, weil sie alle Propagandamittel in der Hand gehabt hätten. Dabei werden Fernsehen und Radio von den Konservativen kontrolliert.

Doch in einer Hinsicht hat Bahonar Recht. Die Reformer haben eine ganze Reihe von Zeitungen auf ihrer Seite. In diesen wurden die Reformkandidaten ausführlich vorgestellt und Rafsandschani systematisch demontiert.

An vorderster Front stand bei der Wahlkampagne der Reformer die Zeitung Sobh-e Emrus. Ihr Herausgeber Said Hadscharian bekam am Sonntag als erster die Rache der Konservativen zu spüren. Er wurde von zwei Pistolenschüssen lebensgefährlich verletzt und liegt derzeit im Koma. Die Täter fuhren ein Motorrad einer Marke, die Mitgliedern der Revolutionsgarden und des Geheimdienstes vorbehalten ist. Im Wahlkampf hatte Hadscharian gefordert, die Konservativen in einem „Hausputz“ hinwegzufegen. In den letzten Monaten hatte der ehemalige stellvertretenden Geheimdienstminister Drohbriefe erhalten.

Als besonders gefährdet gilt nun der Journalist Akbar Gandschi. Er hat sich als Autor der Sobh-e Emrus besonders der Aufklärung der Mordserie, denen im November 1998 mehrere Intellektuelle zum Opfer gefallen waren, verschrieben. Bis heute sind die Morde nicht aufgeklärt. Klar ist jedoch, dass sie von Mitgliedern des Geheimdienstes begangen wurden.

Dass die Konservativen zum Mittel der Gewalt greifen würden, um sich für ihre Niederlage zu rächen, hatte auch Mohsen Resai befürchtet. Resai, der jahrelang Chef der Revolutionsgardisten war, schlägt inzwischen reformerische Töne an. Er prophezeiht sogar einen Putsch der Konservativen.

Auch im Alltag der Bevölkerung machen sich die Rachegelüste der Wahlverlierer bemerkbar: Seitdem die Wahlniederlage der Konservativen offensichtlich ist, werden Privathäuser wieder verstärkt nach Satellitenschüsseln abgesucht. Der Besitz der illegalen Antennen wird mit hohen Geldstrafen geahndet.

Um das zu vermeiden, haben viele Iraner nach den Wahlen ihre Schüsseln selber abgebaut. Eine junge Iranerin will ihre erst wieder aufstellen, wenn das neue Parlament im Juni zusammentritt, weil: „Die Konservativen sitzen seit der Wahl in einem Bottich voller Eiswasser. Man sollte sie nicht noch mehr reizen.“

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