: Eine Frage der Scham
Real Madrid ist die Zicken von Nicolas Anelka leid und will den Stürmer loswerden
MADRID taz ■ „Ich möchte nach Paris zurück. Das ist alles zu heavy für mich“, sagt der Fußballer. „Wenn wir gewusst hätten, was für ein Typ das ist, hätten wir ihn nie unter Vertrag genommen. Wir sind doch keine Masochisten“, sagt Real-Vorstandssprecher Ussia. Es geht um Stürmer Nicolas Anelka. Wieder mal.
In der vergangenen Sommerpause stellte Präsident Lorenzo Sanz stolz seinen Neuerwerb vor. Die Fans forderten einen Superstar, in Anelka schien er gefunden. 66 Millionen Mark hatte Sanz für den Stürmer von Arsenal bezahlt. Teuerster Spieler Spaniens darf sich der 21-jährige französische Nationalspieler nennen. Doch die Millionen waren schlecht investiert: Nach vorgetäuschten Verletzungen, schlechten Leistungen und einem Trainingsstreik sitzt Anelka seit dieser Woche nicht einmal mehr auf der Bank. Trainer Vicente del Bosque hat ihn für 45 Tage aus der Mannschaft verbannt und ihm alle Bezüge gestrichen. Und der einst so stolze Lorenzo Sanz möchte nur noch eines: Anelka so schnell wie möglich verkaufen. Der Grund für den Eklat: Als Del Bosque es vorzog, ihn nach einer schwachen Leistung gegen Bayern München im Olympiastadion erst gar nicht aufzustellen, blieb Anelka dem Training fern.
Auch eine erste Abmahnung und 60.000 Mark Geldstrafe halfen nicht. Statt auf dem Platz zu erscheinen, kickte Anelka, Jahressalär sieben Millionen, am nächsten Morgen im Garten seiner Villa alleine vor sich hin. Wer hat die Schuld an der steilen Talfahrt vom Superspieler zur Superpleite? Für Anelka: „Bei Real behandeln die mich wie einen Hund.“ Die schlechte Taktik der Weißen sei schuld daran, dass er sein Talent bisher nicht zu Schau stellen konnte, lässt er seinen Bruder und Manager Didier verkünden. Anelka beschwert sich, nur eine von drei Sturmspitzen zu sein. Die Kollegen Raúl und Morientes würden sich nur gegenseitig die Bälle weitergeben. Und wofür? „Morientes macht Tore, für die ich mich schämen würde.“
Dass Anelka selbst in der gesamten Saison nur einen Ball im Netzt versenkte, auch daran ist allein die schlechte Personalpolitik des Clubs schuld.“ Ich wünsche mir Zidane als Mitspieler, der gibt großartige Pässe“, verkündete Anelka kürzlich. Mit so einem Kollegen könne er dann endlich sein wahres Talent beweisen.
Die Auseinandersetzungen mit dem Club begannen lange vor dem Trainingsstreik. Kaum unter Vertrag, hatte er mit Rückzugsgedanken verblüfft: „Wenn es einem keinen Spaß mehr macht aufzulaufen, dann ist es an der Zeit, über ein Karriereende nachzudenken.“ Und: „Wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich rechts spielen muss, wäre ich nicht gekommen.“
Weil der Trainer ihn nicht auf seiner Lieblingsposition spielen ließ, vermeldete Anelka eine Knieverletzung. Die Ärzte fanden nichts. Anelka verließ seine Villa dennoch nur noch im Rollstuhl. Die Zeit vertrieb er sich alleine zu Hause mit Toreschießen – auf der Playstation. Trainer Del Bosque wettert: „Ich weiß nur eines, die Mannschaft aufzustellen ist meine Aufgabe. Ein Spieler kann nicht verlangen, à la carte zu trainieren oder zu spielen.“ Anelka, der alle im Team außer Landsmann Karembeu gegen sich hat, ficht das nicht an. Um zu zeigen, dass er auch ohne den Verdienstausfall von 660.000 Mark für 45 Tage Pause ganz gut leben kann, pflegt er morgens in einem teuren Geländewagen und mittags in seinem Zweitauto, einer Luxuslimousine, durch Madrid zu kurven. REINER WANDLER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen