: Nicht nur zwischen den Zeilen
■ Im Umgang mit schwuler Literatur fehlt meist die kritische Kompetenz: Ändern will das der Preis der schwulen Buchläden
Die engagierten Betreiber des schwulen Buchladens Männerschwarm versuchen seit jeher, Literatur auch aktiv zu pushen. In diesem Jahr richten sie erstmals die Verleihung des traditionellen „Literaturpreises der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der schwulen Buchläden“ aus. Seit 1993 bietet diese ein Forum für Texte von NachwuchsautorInnen. Die müssen nicht unbedingt schwul sein. „Auch manche Frauen wie Anne Rice schreiben schließlich wunderbare schwule Bücher“, so Uwe Mosebach vom Männerschwarm. Eine wie auch immer geartete schwule Thematik müsse jedoch erkennbar sein.
Eine Jury – bestehend aus dem Fernsehmoderator Matthias Frings, den Journalisten Hans Stempel und Martin Ripkens sowie Rainer Falk vom Berliner Querverlag – wählte aus den 116 Einsendungen drei Texte aus, die heute abend präsentiert werden und von denen einer mit 2000 DM belohnt wird. Zudem wird auch diesmal wieder eine Anthologie mit einer Auswahl der Einsendungen erscheinen.
Während in Film, Musik und anderen Medien Schwule unaufhaltsam Teil des Mainstreams werden, haben es AutorInnen, die aus explizit schwuler Perspektive schreiben, hierzulande nach wie vor nicht leicht. Zusätzlich zu den üblichen Newcomer-Problemen tun sich die großen Verlage immer noch schwer mit homosexuellen Schreibweisen. Und das, obwohl um die Mitte der 90er Jahre Verlage wie Rowohlt Schwule und Lesben als KundInnen entdeckt hatten und vermehrt entsprechende Produkte auf den Markt warfen. Weil sich die dann aber doch nicht gut genug verkauften, „erscheint dort heute eher weniger schwule Literatur als noch vor wenigen Jahren“, so Mosebach. Zudem wird bei „einschlägigen“ Büchern der schwule Bezug nicht selten unsichtbar gemacht: Das neue Cover der Goldmann-Ausgabe von Edward Morgan Forsters Roman Maurice zeigt ein Damenkränzchen.
In den Feuilletons wird meist entweder nur das Thema für relevant befunden, nicht aber seine künstlerische Bearbeitung, oder die RezensentInnen drücken sich mit reiner Formalästhetik vor dem Inhalt, stellt Männerschwarm-Mitbetreiber Joachim Bartholomae fest. Die deutsche Homo-Presse, die zur Zeit fast nur aus populär gehaltenen Anzeigenblättern und Hochglanzmagazinen besteht, bietet ebenfalls kein Forum für kritische Auseinandersetzungen. Daher ist der Literaturpreis der schwulen Buchläden auch eine wichtige Gelegenheit für kompetente Rückmeldungen.
Jakob Michelsen
Preisverleihung heute abend, 20 Uhr, im Spiegelsaal des Museums für Kunst und Gewerbe.
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