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Die anderen spielen Squash

GUZ singt leise von den verlorenen Illusionen der Thirtysomethings. Hinter dem Kürzel verbirgt sich die dunklere Seite von Olifr Maurmann, dem Sänger der Schweizer Band Aeronauten. Sonntag spielt er im Roten Salon der Volksbühne

Die meisten Menschen haben eine helle und eine dunkle Seite. Olifr Maurmann hat eine dunkle Seite und eine noch dunklere. Da sitzt er einem gegenüber und sagt: „Also ich hab schon nicht ganz alle Tassen im Schrank, das ist durchaus richtig, aber ich bin sozial immer noch brauchbar.“ Das ist nicht mal ironisch gemeint.

Sein Geld verdient Maurmann als Modellbauer, aber hauptberuflich ist der 32-jährige Sänger der Aeronauten, der wundervollsten Band, die die Schweiz momentan zu bieten hat. Aus Schaffhausen heraus beschreibt Maurmann mit kurzen, entlarvenden Sätzen die verlorenen Illusionen der Thirtysomethings. Dabei wird er manchmal böse, aber niemals laut. Seine Grundeinstellung ist nicht Wut, sondern eher eine grundsätzlich hoffnungsvolle Resignation.

Nebenberuflich wird Maurmann, der an der Kunstgewerbeschule St. Gallen eine Ausbildung genossen hat, zu GUZ. Schon lange vor den Aeronauten hat er unter diesem Pseudonym haufenweise selbst kopierte Kassetten, später Platten herausgebracht und schätzungsweise 450 Lieder geschrieben. Bei GUZ lebt er eben die dunklere der beiden dunklen Seiten aus.

Der Sound seiner Begleitband, die er Averells nennt, ist nicht so episch und romantisch wie der der Aeronauten, sondern reduzierter, ruppiger, voller schrammeliger Gitarren oder kindlich trötender Orgeln, und mancher Song wird von einer Rückkopplung klein gerührt.

Die GUZ-Songs sind lange nicht so durchkomponiert wie die der Aeronauten, und das nicht nur, weil hier die fetten Bläsersätze fehlen. Manchmal sind die Songs kaum mehr als ein Witz, dessen Pointe durchaus auch verloren gegangen sein kann. Dieses Rohe, Unbehauene lässt nicht nur genug Raum für Fehler, sondern eben auch für nette, kleine Ideen, die sonst einer Veredelung zum Opfer fallen würden. So werden Songs möglich wie GUZ’ sehr eigene Version von Jimmie Rodgers’ „Blue Yodel Stomp“, hinter dem nicht mehr zu stecken scheint als Maurmanns Drang, auch mal jodeln zu dürfen.

„Andere müssen am Küchentisch reden“, sagt Maurmann, „andere müssen Squash spielen, andere müssen was malen oder Tagebuch schreiben, und ich muss Musik machen.“ So bleiben sie uns glücklicherweise erhalten, die exakten Beobachtungen seiner Generation, die Maurmann mit einer Stimme vorträgt, die selbst bei schnelleren Stücken zäh wie Käsefondue bleibt. In „Altes Pferd“ singt es aus Maurmann: „Sie halten uns beschäftigt und ich weiß auch warum / Sie halten uns beschäftigt, damit sie wissen, was wir tun.“ Und dann gibt es immer wieder diese Sätze, die allerlei bedeuten könnten, aber vielleicht auch einfach nur gut klingen: „Diese Welt ist konkav und nicht konvex“.

Oder eben die dunkel-dunkle Seite von Maurmann, die sich scheinbar immer und ungefragt Platz brechen muss. „Meine Musik ist scheiße“, singt GUZ, „meine Freunde sind ein Haufen Dreck.“ Auch wenn diese Zeile aus der Übersetzung eines Muddy-Waters-Songs stammt: Man glaubt man ihm solche Gefühle. Manchmal zumindest, einen kurzen Moment lang.

THOMAS WINKLER

Sonntag, 22 Uhr, Roter Salon in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz

Zitat:

„Also ich hab schon nicht ganz alle Tassen im Schrank, das ist durchaus richtig, aber ich bin sozial immer noch brauchbar.“ Das ist nicht mal ironisch gemeint.

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