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Allein unter Freunden

Mit der Sendelizenz hat das Deutsche Sportfernsehen einen ungleichen Partner geerbt: das Reisemagazin „Grenzenlos“ (Sa., 11.45 Uhr)

Wieder so ein TV-Reisemagazin mit dem üblichen Touri-Programm aus Israel: Jerusalem, der See Genezareth und das Tote Meer in knapp 30 Minuten.

Aber nur fast: Eine schwäbelnde Reisegruppe steht vor der Klagemauer. Zwei Männer lösen sich und nähern sich Händchen haltend der Wand. Während der eine über die Beschaffenheit des Steins redet, führt er die Hand des anderen über die Oberfläche. Zusammen mit seinem blinden Mitreisenden tastet er die Mauerritzen ab, die mit kleinen Zetteln voll gestopft sind. Anschließend werden Rollstuhlfahrer über Rampen auf das unebene Pflaster der Jerusalemer Altstadt zum Basar geschoben. Ein Bericht also über Behinderte auf Reisen.

Wer jetzt denkt, die Sendung liefe bei irgendeinem Dritten im Vorabendprogramm, als Füller zwischen den Lokalnachrichten und dem Abendspielfilm, liegt falsch. „Walk and Roll durch Israel“ aus der Reihe „Grenzenlos“ der Arbeitgemeinschaft Behinderte in den Medien läuft beim Deutschen Sportfernsehen (DSF).

Da wird sich sicherlich kein Sportgucker zwischen Fußball und Boxen nach der Werbung hinverirren, so viel ist klar. Was also haben die Reisenden beim Sportkanal verloren? Das Reisefeature „Grenzenlos“ läuft alle zwei Monate und teilt sich den unerquicklichen Sendeplatz mit der wöchentlichen Sendung „Normal“. Dieses zweite Behindertenmagazin ist älter als das DSF. 1989 wurde es zum ersten Mal ausgestrahlt – damals hieß der Kanal noch TELE 5. Und daraus wurde 1993 das Deutsche Sportfernsehen (DSF), dem nichts anderes übrig blieb, als das Nischenprogramm zu übernehmen. Ins Sendekonzept passt so etwas eigentlich nicht.

„Normal“ schreckt das wenig, hier hat sich ein kleiner, aber treuer Zuschauerstamm über die Jahre gefunden. Der lässt sich auch nicht von den häufig wechselnden Sendeplätzen abschrecken und ist bisher jedes Mal zum neuen Termin gefolgt, was die mittlerweile stabilen Quoten (über 100.000 Zuschauer pro Sendung) beweisen. „Grenzenlos“-Chefredakteur und Regisseur Hermann Höbel ist es sogar ganz recht, dass seine Sendung nicht abends um acht ausgestrahlt wird: „Lieber nicht zur besten Krimizeit.“ Er möchte Reiseziele behindertengerecht vorstellen und den Leuten Mut zum Reisen machen. „Vor fünf bis sechs Jahren haben Gäste noch geklagt, wenn im gleichen Hotel Behinderte untergebracht waren. Da hat sich seitdem einiges getan“, sagt er über die Situation heute. Die Produktionskosten von „Grenzenlos“ werden durch Sponsoren und eine staatliche Anschubfinanzierung gedeckt, ab 2001 müssen aber weitere Sponsoren gefunden werden, da die öffentlichen Mittel wegfallen.

Die ungewisse Zukunft und den nicht gerade attraktiven Sendeplatz beim völlig anders ausgerichteten Spartenkanal nehmen Hermann Höbel und die Arbeitsgemeinschaft aber gelassen. Die Reihe ist laut Höbel europaweit die einzige ihrer Art, und selbst ein Magazin wie „Normal“ steht bundesweit allein da.

VERENA DAUERER

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