: BMW beugt Übernahme vor
Münchner Autokonzern schreibt für 1999 einen Bilanzverlust von fünf Milliarden Mark. Um die roten Zahlen durch Rover abzudecken, verkauft der Konzern auch die begehrte Marke Land Rover an Ford
von HANNES KOCH
Die schon traditonellen Meinungsverschiedenheiten zwischen Deutschen und Briten in Wirtschaftsdingen schaukelten sich gestern dank des Katalysators BMW erneut auf. In der Nacht zum Freitag wurde das BMW-Firmenschild am Rover-Werk bei Birmingham niedergerissen und durch eine Protestinschrift ersetzt: „Down but not beaten“ – „Am Boden, aber nicht geschlagen“. In einem Telefongespräch mit dem BMW-Vorstand übermittelte Premierminister Tony Blair seine „tiefe Verärgerung“ über die Aufteilung und den Verkauf der britischen Autofabriken, die BMW gestern in München offiziell bekannt gab.
Demnach will der bayerische Konzern das Unternehmen Rover an zwei Investoren verkaufen und nur den neuen Mini bei Oxford selbst herstellen. Der größte Teil von Rover mit dem veralteten Werk in Longbridge geht an die britische Investfirma Alchemy Partners, die unter anderem die Modelle Rover 75 und den alten Mini weiterproduzieren wollen. Alchemy übernimmt auch die Sportwagenmarke MG, die dereinst den Kern eines neuen Unternehmens bilden soll. Im Gegensatz zu den bisherigen Vermutungen wird sich BMW auch von der Marke Land Rover trennen. Die Herstellung der teuren Geländewagen übernimmt Ford, wie BMW-Chef Joachim Milberg gestern erklärte.
Für Land Rover zahlt Ford an BMW rund 5,9 Milliarden Mark. Diese Einnahme dürfte der Grund dafür sein, warum BMW die Geländewagenproduktion abgibt, die 1994 die wesentliche Ursache für das Engagement der Bayern in Großbritannien darstellte. Doch nun braucht BMW Geld. Denn für das Jahr 1999 hat der Autokonzern einen gigantischen Verlust eingefahren: insgesamt rund fünf Milliarden Mark. Ein wesentlicher Teil der roten Zahlen kommt durch den Verlust bei Rover zustande (2,5 Milliarden Mark), den Rest bilden Abschreibungen und Risikopolster für die Zukunft. Die Einnahmen aus dem Verkauf der begehrten Marke Land Rover machen den Verlust des vergangenen Jahres so eben wett. Die Produktion der BMW-Limousinen selbst brachte dem Konzern erhebliche Gewinne: 1,2 Milliarden Mark nach Steuern oder 43,5 Prozent mehr als 1998.
BMW-Chef Milberg räumte ein, dass es mit der Marke Rover nicht gelungen sei, „in der unteren Mittelklasse mit Fahrzeugen anderer Massenhersteller zu konkurrieren“. Den wesentlichen Ausschlag für den Verkauf habe allerdings der unerwartete Anstieg des britischen Pfunds gegeben, dessen hoher Wert alle Bemühungen um höhere Exporterlöse und damit die gesamte Sanierung zunichte gemacht habe.
BMW steht nun wieder als – wenn auch großer – Nischenanbieter da, der nicht die komplette Palette von Automobilen in seiner Gruppe anbieten kann. Zunächst muss man sich auf die teureren Wagen der oberen Mittel- und der Oberklasse beschränken. Diese Situation beinhaltet aus der Sicht des BMW-Vorstands freilich die Gefahr, dass die Selbstständigkeit des Unternehmens in Frage gestellt werden könnte. Kleineren Konzernen drohen Übernahmen durch finanzstärkere Firmen. Nicht umsonst spekuliert die Fachwelt nach der Rover-Katastrophe nun über mögliche Kooperationen zwischen BMW und zum Beispiel VW.
Gestern kündigte der BMW-Vorstand jedoch an, die Rover-Strategie unter veränderten Vorzeichen noch einmal zu probieren. Joachim Milberg: „Wir werden eine völlig neue BMW-Modellreihe entwickeln.“ Die neuen Typen sollen „im oberen Bereich der unteren Mittelklasse“ angesiedelt sein. Das BMW-Management hofft, schnell eine Spitzenposition auch in dem neuen Segment zu erobern.
Ob der Konzern die dafür notwendigen Mittel selbst aufbringen kann, wird sich zeigen. Die Belastungen in der Nachfolge der Rover-Krise werden auch noch in diesem Jahr anhalten. BMW-Finanzchef Helmut Panke wies zwar Vermutungen zurück, dass man Alchemy Partners zusätzlich drei Milliarden Mark versprochen habe, um Rover endlich los zu werden.
Doch gewisse Summen müssen aus Bayern noch nach Großbritannien fließen. Laut Panke wird die „schuldenfreie Übergabe“ von Rover an Alchemy zumindest diskutiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen