: Teuflisch scharf, teuflisch gutVon Karen Schulz
Karens KochKunst – die Serie der taz hamburg für GenießerInnen. Teil 38:Scharfe Sachen regen Kreislauf und Durchblutung an
Unser Sprichwortschatz legt es nahe: Der Teufel kocht und isst gerne, die Hölle ist des Teufels Küche: Verhangen von Dampfschwaden, erhellt von lodernden Feuern unter schwarzen Töpfen, in denen nach Ansicht der Altvorderen die Sünder langsam gegart wurden. Sünde und Genuss liegen nahe beieinander - die Völlerei zählt immerhin zu den sieben Todsünden. So schmeckt uns Essen „teuflisch gut“ und ist „höllisch scharf“. Vor allem die scharfen Gerichte werden dem Teufel zugeschrieben, doch ist es mit ihrer verderblichen Kraft nicht allzu weit her. Im Gegenteil: Scharf gewürzte Speisen sind gesund, regen den Kreislauf und die Durchblutung an und machen wach.
Der schärfste Würzstoff ist das Capsaicin, das in Paprika- und Chilischoten enthalten ist und von den Nervenzellen selbst in einer Verdünnung von eins zu einer Million wahrgenommen werden kann. Besonders konzentriert ist dieser Scharfmacher in den Samen und Trennwänden im Inneren der Schoten. Wer also nur mäßig scharf würzen will, entfernt diese gründlich - um Hautreizungen zu vermeiden am besten mit Handschuhen.
Chilischoten stammen aus Südamerika, wo die grünen, roten, gelben oder blauschwarzen Sorten viele Gerichte scharf machen - typisch für Länder mit tropischen Temperaturen. Kein Wunder, denn dort hat die hitzige Wirkung scharfer Speisen die Funktion, den Körper zu kühlen - indem die Schweißproduktion angeregt wird.
Wie vielen Gewürzen wird den Scharfmachern ein erotischer Zauber zugeschrieben, der nicht von ungefähr kommt: Das Brennen verursacht Schmerzen, denen der Körper mit der vermehrten Bildung von Endorphinen entgegenwirkt - diese Glückshormone sorgen für eine entspannte Atmosphäre, vor allem beim Tête-à-tête eine erwünschte Nebenwirkung. Wer allerdings vor lauter Schmerzen im Mund nichts mehr zu lachen hat, sollte den „Brand“ nicht mit Wasser löschen: Das fettlösliche Capsaicin wird am besten durch Joghurt oder Milch bekämpft.
Die aromatischen Eigenschaften aller Gewürze basieren auf ätherischen Ölen, von denen etwa 4000 bereits entdeckt werden konnten. Diese leicht flüchtigen Substanzen entfalten ihre Wirkung bereits beim Einatmen und lassen uns sprichwörtlich das Wasser im Munde zusammenlaufen. Wer sich gesund ernähren will, verwendet möglichst viele unterschiedliche Gewürze und Kräuter, vorzugsweise frisch gemahlen oder gehackt. Um dabei einer Aroma-Kakophonie vorzubeugen, gibt es eine Reihe von harmonischen Mischungen wie Kräuter der Provence, die chinesische 5-Gewürz-Mischung oder das indische Garam Masala, das weitaus intensiver und aromatischer als die landläufigen Currypulver ist. Wegen der vielfältigen Verwendung von Gewürzen und ihrer scharfen Gerichte ist gerade die indische Küche das perfekte Probierfeld für sinnliche Essen zu zweit - um nämlich gleich zwei Todsünden auf einmal auszuleben: Völlerei und Wollust.
Ausführliche Grundrezepte für Gewürzmischungen findet man in: Teufels Küche (Cristina Moles Kaupp, dtv, 159 S, 17,50 DM); eine erotische Geschichte um ein Teufelsmahl und Rezepte präsentiert der Bildband: Aus Teufels Küche (Michael-André Werner, Kathrin Otterbach, Falken, 72 S., 49,90 DM).
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