: Und ewig lockt das Guinness-Buch
Kriminalhauptkommissar Holger Falkenried ist passionierter Tretroller-Treter. Mit seinem Gefährt will er die Welt umkurven. 10.000 Kilometer liegen auf seiner Wegstrecke. Von Mexiko-Stadt will er bis nach Sydney. Und dann ins Buch der Rekorde
von KIRSTEN KÜPPERS
Wer alleine verreist, aber private Einsamkeit scheut, kann sich in Clubs Mediteranées einmieten, einschlägige Stranddisko-Ortschaften besuchen oder bei einer Gruppenreise mitfahren. Holger Falkenried hat sich für die Bunte-Hunde-Variante entschieden: So auffallen, dass man überall angesprochen wird. Darum fährt Falkenried durch die Welt – mit einem Tretroller. Und will so ins Guinness-Buch der Rekorde. 10.000 Kilometer hat sich der 33-jährige Kriminalhauptkommissar aus Zehlendorf für dieses Jahr vorgenommen, von Mexiko-Stadt bis zur diesjährigen Olympiastadt Sydney soll es gehen, 17 olympische Städte will er auf seiner Rollerroute abklappern.
Der Eintrag ins Guinness-Buch hierfür verheißt zwar nur kleinen Ruhm. Trotzdem finden sich immer wieder Menschen, die die kleinsten Toaster der Welt basteln, die dickste Nudelsuppe kochen oder bis zum Umfallen Gummitwist hüpfen – nur um im Superlative-Verzeichnis – und sei es mit Unsinnstaten – bescheidene Berühmtheit zu erlangen. Das Guinness-Buch sichert den eitlen Beweis, man sei der Einzige. Auf der ganzen Welt. Mindestens für ein Jahr, bis der Nächste kommt, der die Idee noch knalliger treibt.
Die erste Etappe hat der athletische Holger Falkenried schon hinter sich. Im Januar und Februar rollerte er von Mexiko-Stadt nach Los Angeles. Er hat gezeigt, dass so was machbar ist. Mit solch kindsköpfigen Ideen gewinnt man Herzen und Aufmerksamkeit. „Das wäre mit einem Fahrrad nicht passiert“, weiß Falkenried. Ein Erwachsener, der selbstbewusst ein Spielzeug als Fortbewegungsmittel nutzt. Dorfbewohner im mexikanischen Hochland begrüßten ihn emphatisch, einmal brachte ihn sein Gefährt braun gebrannt mit Marc Tyson und Andre Agassi auf die Titelseite einer mexikanischen Sportzeitung.
Zur Zeit macht er Zwischenstopp in Zehlendorf, erledigt Zahnarzttermine, besucht seine Freundin. Außerdem gibt es Pressearbeit abzuwickeln, Falkenried hat Werbeflyer drucken lassen. Am Donnerstag fliegt er nach Atlanta (USA), von wo aus er nach Montreal in Kanada losrollern will. Von Mai bis August wird er in Europa unterwegs sein. Die Abschlusstour im August und September führt von Melbourne nach Sydney.
Sein Arbeitgeber, das Landeskriminalamt, macht die Kapriolen des eigenwilligen Polizisten mit. Für ein Jahr ist er freigestellt. Die Kollegen reagieren mit Stolz oder belustigtem Wohlwollen auf das Hobby. Seine Konsequenz macht Falkenried über Lächerlichkeit erhaben.
Etwas Besonderes zu sein ist harte Arbeit. In Mexiko musste Falkenried den Roller oft lange Strecken bergauf schieben, die Sonne brannte, er hatte Asthmaanfälle von der Luftverschmutzung. 60 bis 80 Kilometer sind Falkenrieds Tagespensum.
„Manchmal hat man keine Lust mehr und möchte nach Hause fliegen“, gibt er zu. Wie ein Marathonläufer müsse man diesen toten Punkt überwinden: „Trotz Blasen an Händen und Füßen einfach weitermachen.“ Bei einem Motorradunfall 1998 verlor Falkenried fast den rechten Fuß, die Ärzte wussten nicht, ob er jemals wieder würde laufen können. Kein Jahr später fing er erneut mit dem Rollerfahren an – eine Extrembelastung für den verletzten Fuß. Auf der Tour begleiten ihn ständige Schmerzen. Trotzdem schnallt er sich jeden Tag aufs Neue Isomatte und Moskitonetz an seinen Rollerkorb, für Nachtfahrten bewaffnet sich Falkenried mit einer Grubenlampe, geschlafen wird meist in billigen Motels. Die Askese gehört zum Abenteuerprogramm.
Es wird klappen mit dem Guinness-Buch. Doch was kommt danach? Falkenried wird sich was neues Ausgefallenes ausdenken. „Ich will keinen Durchschnittsalltag mit VW-Passat und Mallorca-Urlaub“, sagt er entschieden. Trotz rausgekehrter Unspießigkeit gibt es weiterhin solide Wünsche im Leben des Weltrekordler-Polizisten. Bei seiner Heimkehr aus Mexiko hat er sich am meisten gefreut auf ein Nutella-Brot und eine ungezieferfreie Wohnung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen