Fusion in der Autoelektronik

Siemens und Mannesmann schließen ihre Kfz-Sparten zusammen: Spätfolgen des Übernahmekampfes von Vodafone und Mannesmann. Debis steht als nächstes auf der Einkaufsliste

von REINER METZGER

Siemens und Mannesmann werfen ihre Autoelektronik zusammen. Nach gestrigen Angaben der beiden Firmen entsteht damit der weltweit führende Zulieferer von Elektroniksystemen für die Automobilindustrie mit einem Umsatz von 14 Milliarden Mark. Die neue Firma heißt Atecs Siemens Automotive AG, gehört je zur Hälfte den beiden Mutterfirmen und beschäftigt 50.000 Menschen.

Das Gemeinschaftsunternehmen soll zum 1. Juli die Arbeit aufnehmen. Vorher müssen Kartellbehörden dem Zusammengehen noch zustimmen. Ein Börsengang von Atecs Siemens sei nicht geplant, sagte ein Siemens-Sprecher. Das Joint Venture sei nicht als „Einstieg in den Ausstieg“ zu verstehen. Es wird gebildet aus Mannesmann VDO in Schwalbach bei Frankfurt und Siemens Automobiltechnik in Regensburg. Die neue Firma will ihren Umsatz innerhalb der nächsten fünf Jahre verdoppeln, hieß es gestern.

Seit die britische Vodafone Mannesmann übernahm, war klar, dass alle Nicht-Telefon-Aktivitäten des Düsseldorfer Konzerns abgestoßen würden. Sie werden im Juni als Atecs AG mehrheitlich an die Börse gebracht. Neben der Autoelektroniksparte VDO waren das noch die Maschinen- und Panzerbauer von Demag Krauss-Maffei, Rexroth (Hydraulik und Getriebe), Dematic (Logistik) und Sachs (Autoteile).

Atecs Siemens hat seine Schwerpunkte bei Fahrer-Informationssystemen, Wegfahrsperren, Airbag- und ABS-Elektronik.

Die Branche der Autozulieferer steht schon seit geraumer Zeit unter einem enormen Preisdruck von Seiten ihrer Kunden, den Autokonzernen. Mit den kommenden Internetbörsen will die Branche das komplizierte System von Teilen und Preisen „transparenter“ machen – sprich, die Preise sollen weiter fallen. Heute gibt es weltweit noch etwa 2,5 Millionen Zulieferer mit einem Umsatz von 850 Milliarden Mark. Als weltstärkste Zuliefererindustrie gilt die deutsche, die 1998 über 80 Milliarden Mark umsetzte und 280.000 Mitarbeiter beschäftigte. Hier wird in den nächsten Jahren ein starker Konzentrationsprozess erwartet.

Wirklich große Zulieferer gibt es nur ein paar Dutzend, viele gehören zu den Branchenchefs à la General Motors oder Ford. Der größte unabhängige Teilefertiger ist die Robert Bosch GmbH mit einem Jahresumsatz von zuletzt 54 Milliarden Mark. Sie gehört der gleichnamigen Stiftung. Im engeren Marktsegment der Autoelektronik dringt die neue Atecs Siemens nun in die Spitze vor.

Für Siemens als Ganzes ist VDO nur ein kleinerer Fisch. Schon seit Wochen lassen die Konzernoberen aus München verlauten, dass sie an einem wesentlich dickeren interessiert sind: der DaimlerChrysler-Tochter Debis Systemhaus. Die Finanz- und Computerservicetochter von Daimler mit einem Umsatz von 2,9 Milliarden und einem Gewinn von gut einer Milliarde Euro sowie rund 20.000 Mitarbeitern weltweit steht zum Verkauf, es scheint nur noch eine Frage des Preises. DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp hatte Anfang März in Stuttgart angekündigt, dass eine Entscheidung zu Debis innerhalb diesen Monats fallen dürfte.

Als weitere Interessenten wurden in verschiedenen Presseberichten auch die Deutsche Telekom oder das Softwarehaus SAP genannt. Als Preisvorstellungen von DaimlerChrysler werden 15 Milliarden Mark gehandelt; dafür gibt es aber keine offiziellen Bestätigungen.

Siemens – früher wegen seiner gehorteten Milliardenprofite als Bank mit angeschlossener Elektroabteilung bespöttelt – will alle seine Unternehmensbereiche nach dem Vorbild des hochprofitablen US-Riesen General Electric entweder zum Weltmarktführer ausbauen oder abstoßen. Debis würde zur Münchner Dienstleistungstochter SBS Siemens Business Services passen.