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Grünenchefin im Oberwasser

Radcke fordert Künast und Kuhn auf, trotzdem für den Parteivorsitz zu kandidieren

BERLIN taz ■ Antje Radckes Enttäuschung hält sich in Grenzen: Es sei „schade, aber keine Katastrophe“, dass der Parteitag die Trennung von Amt und Mandat nicht aufgehoben habe, sagte die Grünen-Vorstandssprecherin gestern gegenüber der taz. Die Vereinbarkeit von Amt und Mandat war für Radcke noch nie eine Herzensangelegenheit. Umso mehr freut sie sich, dass es in Zukunft neben dem Bundesvorstand einen gestärkten Parteirat geben wird, eine Art Präsidium also. Außerdem findet sie es gut, dass die Landesverbände nun eine Mark mehr pro Mitglied an die Bundespartei abführen müssen. Bei 50.000 Mitgliedern komme da doch einiges an Mehreinnahmen zusammen.

Radcke forderte die beiden FraktionschefInnen von Berlin und Baden-Württemberg, Renate Künast und Fritz Kuhn, auf, für den Parteivorsitz zu kandidieren. Natürlich müssten sie nach den Beschlüssen des Parteitages dafür nun ihre Mandate niederlegen. Es wäre gut, so Radcke, wenn die Partei bei der Abstimmung über die künftige Doppelspitze „nicht nur die Wahl, sondern auch die Auswahl hat“. Sie selbst werde auf jeden Fall für einen Sprecherposten kandidieren. Möglicherweise sei die Partei inzwischen so weit, dass sie nicht mehr nach Proporz entscheide und zwei gemäßigte Linke – wie sie selbst und Renate Künast – an die Spitze wähle.

Künast und Kuhn wollten am Tag nach dem Beschluss der Delegiertenkonferenz noch nicht kund tun, ob sie ihre Mandate aufgeben und für den Parteivorsitz kandidieren wollen. Beide hatten dies ursprünglich von der Möglichkeit abhängig gemacht, gleichzeitig Fraktionsvorsitzende bleiben zu können. Künast ließ jedoch bereits durchblicken, dass sie auch unter den jetzigen Umständen einer Kandidatur nicht abgeneigt ist. Kuhn kündigte an, er werde das tun, was auch die Vorväter bei schwierigen Entscheidungen taten: „Auf einen Berg im Allgäu steigen und erst in drei Tagen wieder herunterkommen.“ Für ihn ist es tatsächlich eine schwerer Konflikt. Er steht bei seinen baden-württembergischen Grünen im Wort, als Spitzenkandidat in den Landtagswahlkampf Anfang 2001 zu ziehen. Außerdem müsste er als Parteichef mit seiner Familie nach Berlin ziehen und würde weniger verdienen, als wenn er Fraktionschef in Stuttgart bliebe. Künast würde sich nicht verschlechtern, weil sie schon heute einen großen Teil ihrer Bezüge an die Berliner Grünen abführen muss. Für Kuhns Entscheidung ist ausschlaggebend, wann der nächste Wahlparteitag stattfindet. Der ursprünglich angepeilte Termin im Mai wäre gut. Dann könnte er kandidieren und im Falle einer Niederlage trotzdem noch als Spitzenkandidat in den Wahlkampf ziehen.

Ein anderes wichtiges Argument spricht jedoch gegen einen frühen Termin: Der Bundesvorstand hat den Delegierten zugesagt, sie dürften beim nächsten Mal über das Ergebnis der Atom-Ausstiegsgespräche und das Ausstiegsgesetz der Regierung abstimmen. Angesichts der zähen Verhandlungen mit der Atomindustrie ist es fraglich geworden, ob das Gesetz tatsächlich schon im Mai vorliegen wird. Vorstandssprecherin Antje Radcke sagt: „Das könnte knapp werden.“ TINA STADLMAYER

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