Nachgehakt: Bundesländer wollen sich mit der EU anlegen
■ Harte Haltung notfalls gegen Schröder?
Bei der Ministerpräsidentenkonferenz an diesem Freitag und Samstag in Berlin wollen die Bundesländer um ihre Rechte in der EU ringen (vgl. taz 23.3.). Für SPD-Politiker wie den niedersächsischen Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel enthält der Vorgang politischen Sprengstoff: Die Ministerpräsidenten sehen das System der Landesbanken und Sparkassen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Arbeit der Wohlfahrtsverbände in Gefahr. Sie fürchten, die Wettbewerbshüter der EU könnten staatliche Unterstützung und steuerliche Vorteile dieser Einrichtungen beenden. „Das Wettbewerbsrecht darf nicht die alleinige Messlatte sein“, betont Niedersachsens Ministerpräsident Gabriel. Eine „Käseglocke für bestimmte deutsche Dinge“ werde sich in Brüssel indes kaum durchsetzen lassen.
Bei Wettbewerbskommissar Mario Monti und Kommissionspräsident Romano Prodi pochten die Landespolitiker auf den Erhalt öffentlich-rechtlicher Eigenheiten in der Heimat. Zwar sei der Bremer Bürgermeister im Februar bei Monti schlecht vorbereitet erschienen, klagt ein Teilnehmer der Runde. Der Verhandlungsführer habe nicht einmal ein schriftliches Konzept dabei gehabt. Doch dafür hebt Scherf immer wieder die Einigkeit der 16 Länder in diesen Fragen hervor.
„Ich glaube, dass das in Brüssel so gesehen wird, dass wir Länderchefs durchgeknallt sind“, sagt Scherf. Unverhohlen drohte Scherf in Brüssel: „Wir haben ein Faustpfand in der Hand.“ Die Länder wollen erreichen, dass ihre Interessen kurzfristig noch auf die Tagesordnung der EU-Regierungskonferenz im Dezember in Nizza kommen und dort festgeschrieben werden. Geschehe dies nicht, würden alle 16 Länder im Bundesrat die Beschlüsse zu Reform und Erweiterung der EU blockieren.
Die EU-Kommission bereitet derweil ein Weißbuch vor, das die Zuständigkeiten der verschiedenen politischen Ebenen beschreiben soll – allerdings erst nach der Regierungskonferenz. Teufel genügt das nicht: „Wir lassen uns nicht auf das Weißbuch vertrösten.“
Gabriel formuliert vorsichtiger: „Bei der Regierungskonferenz muss Klarheit darüber geschaffen werden, wie mit der Kompetenz der Länder künftig umgegangen wird.“ Sachsen-Anhalts Regierungschef Reinhard Höppner (SPD) strebt ebenfalls eher einen Kompromiss als die knallharte Konfrontation an: „Wenn es jetzt nicht mehr in der Sache zu Ende gebracht werden kann, dann muss zumindest verbindlich geregelt werden, dass es ins Weißbuch aufgenommen wird.“
Manche Sozialdemokraten sehen durchaus Gefahren einer harten Haltung. Einen Erfolg, so warnen sie, würden sich Unionspolitiker wie Stoiber und Teufel an die Brust heften. Und sollte Bundeskanzler Gerhard Schröder die Länderlinie in Nizza – schon wegen des vollen Programms – nicht durchsetzen können, müssten die SPD-geführten Länder im Bundesrat entweder gegen ihn stimmen – oder Scherf stünde mit seinen markigen Worten am Ende alleine da.
dpa
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