: Generation Airbag
Allgemeine Mobilmachung zwischen Steinzeitroller und Crashtestdummy: Im Siemensforum fasst die Ausstellung „Mobilität – Die bewegte Gesellschaft“ mal eben 7.000 Jahre Verkehrsgeschichte zusammen
Auf dem dunkelblauen Plakat für die Austellung „Mobilität – Die bewegte Gesellschaft“ ist die Silhouette einer ICE-Lok zu sehen. Darin sitzen drei bewegliche Holzpuppen, die eine Art Abriss der Menschheitsgeschichte darstellen. Die erste Puppe geht gebeugt vor sich hin – eigentlich ein biologischer Unsinn, aber als Klischee für ein frühes „Affen-Dasein“ der Menschheit immer wieder brauchbar. Die zweite geht gerade, und die dritte ist in einem Kreis eingeschlossen, der wahrscheinlich als Symbol für das Rad steht. Seltsam ist es allerdings, dass die Figuren vor allem an Crashtestdummys erinnern: Steckt der Mensch seit dem „Erfinden“ des Rades in einer Art rollendem Teufelskreis namens Technik, oder lebt er, spätestens seit dem Airbag, mit „Sicherheit auf allen Seiten“?
Dass Mobilität nicht ausschließlich – so wie das Ausstellungsteam es anscheinend sieht – Fortbewegung mit Verkehrsmitteln bedeutet, sondern immer auch ein gesellschaftlich kontrollierter Prozess ist, erfährt der Besucher schon vor der Austellung in der Eingangshalle des Verwaltungsgebäudes von Siemens: Dort soll er bitte schön seinen Namen in die Besucherliste eintragen. Erst dann darf er die Geschichte der Verkehrsmittel entdecken, wie sie sich auf Wasser, Straßen und in der Luft „von der Antike bis zur Neuzeit“ und über „die Epoche der Dampflok“ bis zum „Zeitalter der Massenmobilität“ entwickelt hat.
Darauf kann der Besucher je nach individueller Sensibilität unterschiedlich reagieren: Ist er kulturpessimistisch drauf, ärgert er sich darüber, dass die umweltzerstörerischen Folgen nur am Rande behandelt werden. Ist er eher auf dem Formel-1-Trip, eröffnen ihm die bunten ausgestellten Werbplakate von „WestMcLarenMercedes CORPORATED PARTNER“ mit ihrem Verweis auf „excellence“, „speed“ und „fascination“ ganz geile Perspektiven.
Für den Requisitenliebhaber, der mit dem Deutschen Technikmuseum nicht genug bedient ist, bietet der Besuch im Siemensforum die Möglichkeit, auf Knopfdruck die verschiedensten Posthornsignale der Deutschen Reichpost ertönen zu lassen. Sie klingen schön laut und sehnsuchtsvoll anachronistisch und machen Gott sei Dank ein bisschen wach, denn die schulbuchartige Präsentation auf den Tafeln wirkt doch etwas ermüdend. Das finden auch vor allem die SchülerInnen und ziehen dafür den Tafeln die Computer vor, die hier und da für ein bisschen interaktive Pädagogik stehen. Der Hit ist allerdings, stellt ein Ausstellungswächter fest, die Computer möglichst schnell zum Absturz zu bringen. YVES ROSSET
Bis 16. Juni, Mo.–Fr. 9–17 Uhr, Mi. 9–20 Uhr, Siemensforum in Berlin, Rohrdamm 85
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