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Gen-Code wird privatisiert

Erstmals gelingt es einem US-Wissenschaftler, das Genom der Fruchtfliege praktisch komplett zu entschlüsseln. Nun will er den Menschen entzaubern und sich möglichst viele Patente sichern

BERLIN taz ■ Das Erbgut des liebsten Tieres der Genetiker, der Fruchtfliege, ist entschlüsselt. In der neuesten Ausgabe des Wissenschaftsjournals Science stellte der US-Amerikaner Craig Venter gestern mit seiner Firma Celera seine Arbeit vor. Dies ist ein großer Schritt für die Riege der Tiergenetiker, die schon seit einem Jahrhundert das Verhalten der leicht zu züchtenden Fruchtfliege als Modelllebewesen erforschen – aber nur ein kleiner Schritt für Venter. Er will als Erster das menschliche Erbgut entschlüsseln, ein Projekt, dass in der Wissenschaft als die „Mondlandung der Biologie“ gilt. Doch diesmal geht es nicht nur um Prestige, sondern auch um das große Geld. Venter hofft, nun noch das Human-Genom-Projekt (HGP) überflügeln zu können. Im HGP forschen seit 1990 inzwischen mehr als 1.000 Mitglieder aus 50 Ländern mit öffentlicher Unterstützung an der Entschlüsselung des menschlichen Genoms.

Im Falle seines Erfolges könnte Venter so Zugriff auf wertvolle Patente am menschlichen Erbgut erlangen. Bereits im Sommer will er fertig sein. Das HGP braucht noch bis 2003, will aber, unter Druck geraten durch Venter, spätestens im Sommer mit einem Zwischenergebnis herauskommen – und 90 Prozent des Genoms präsentieren.

Grund für Venters Erfolg: Er nutzt eine neue Methode, die ein Mathematiker seiner Firma ersonnen hat, Eugene Myers. Dabei wird das Genom mehrfach kopiert und dann in kleine Teile zerschossen. Die verschiedenen sich überlappenden Bruchstücke werden anschließend im Computer wieder zusammengepuzzelt. Das HGP analysiert dagegen jedes Chromosom der Länge nach. Das HGP blieb bei seiner etwas gründlicheren Methode, weil bislang die meisten Forscher nicht glauben wollten, dass die Methode von Celera funktioniert.

Zwar muss Venter erst noch beweisen, dass seine Computer auch das menschliche Erbgut bewältigen können. Es umfasst rund 80.000 bis 100.000 Gene gegenüber nur 13.600 bei der Fruchtfliege. Doch Venter gibt sich zuversichtlich. Er soll eine Rechenleistung in seiner Firma versammelt haben, die nur noch durch das Pentagon übertroffen wird.

Vor 600 Millionen Jahren hatten Fruchtfliege und Mensch noch gemeinsame Vorfahren. Allein von den 289 bekannten Genen, die, einmal mutiert, Menschen krank machen, kommen 177 auch bei der Fruchtfliege vor.

MATTHIAS URBACH

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