Willi Lemke wünscht der Partei mehr Profil

■ SPD-Parteitag wählte seinen Landesvorstand neu – 17 Wahlgänge ohne eine Wahl und ohne eine Personaldebatte / Betroffenes Schweigen über Scherfs Andeutung, er wolle vielleicht 2003 doch nicht aufhören

„Ist hier was los? Nein, hier ist nix los“, dieses alte Biermann-Lied hätten die Delegierten auf dem Bremer SPD-Landesparteitag am vergangenen Samstag summen können. Die Regie hatte es so gewollt, dass es für die anstehenden Wahlen des Landesvorstandes keine einzige konkurrierende Kandidatur gab und zu den politischen Streitfragen, die in dieser Woche möglicherweise eine Sondersitzung des Koalitionsausschusses erforderlich machen, gab es keinen Versuch, die SPD-Position klar und unmissverständlich festzuschreiben. Zu allen Streitfragen gebe es hinreichend Festlegungen der SPD, erklärte der alte und neue Landesvorsitzende Detlev Albers das.

Die Bremer SPD sollte sich stärker in die Grundwerte-Diskussion der Bundespartei einbringen, meinte Albers, aber ob die Verteidigung des Naturschutzgebietes Hollerland zu den verteidigenswerten „Grundwerten“ der Bremer SPD gehört oder nur zur Verhandlungsmasse im Koalitionspoker, das blieb gestern offen.

Hintergrund ist die Macht des Bürgermeisters Henning Scherf, der am Samstag fern vom Ort des Parteitages weilte, nämlich in Berlin bei der Ministerpräsidentenkonferenz. Scherf mag keine Festlegungen durch die Partei, und die Partei pariert. Einige der Delegierten kühlten ihr Mütchen mit der Bemerkung, sie wollten dazu beitragen, dass die SPD bei den nächsten Wahlen wieder die absolute Mehrheit bekäme. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Man muss die Stimmungslage der Bremer SPD kennen, um darin erstens die freche Kritik an Scherfs Lobrede auf die große Koalition zu verstehen und zweitens eine Kritik an Scherfs Aussage vom Frühjahr 1999, ihm sei eine absolute Mehrheit seiner Partei überhaupt nicht so lieb.

Während Scherf (62) im vergangenen Jahr noch gesagt hat, er trete zum letzten Mal an und er wolle sich nur an der Suche nach einem geeigneten, jüngeren Nachfolger im Amt des Präsidenten des Senats beteiligen, bemerkte er vor wenigen Tagen ganz nebenbei, er werde bedrängt, im Jahre 2003 doch noch einmal anzutreten. Im Landesvorstand war das nicht Thema gewesen, da hatte ihn niemand gedrängt. Auch auf diesem Parteitag gab es niemanden, der drängte. Am Rande des Parteitages war derweil zu hören, es gebe eigentlich keine Erklärung dafür, dass der mögliche Nachfolger Willi Lemke noch zwei weitere Jahre – über 2003 hinaus – auf die „Wachablösung“ im Rathaus warten muss. Detlev Albers umschiffte das Thema wie ein gefährliches Riff. Im Jahre 2003 brauche die SPD einen Spitzenkandidaten, der „dafür steht“, die absolute Mehrheit gewinnen zu wollen, rief er den Delegierten zu, ohne den Namen Scherf zu nennen. Als sei irgendwie klar, dass Scherf dafür nicht steht.

Kritische Töne kamen zum Beispiel von dem alten und neuen stellvertretenden Landesvorsitzenden Uwe Mögling aus Bremerhaven. Er hielt – auf dem Parteitag war das etwas Besonderes – eine politische Kandidaten-Rede. „Acht Jahre große Koalition sind genug“, rief er – 2003 müsse Schluss sein damit. „Das Parteileben leidet“, war seine Begründung, die Partei habe nichts mehr zu sagen. Aber auch dazu gab es keine Fragen an den Kandidaten, er bekam sogar elf Stimmen mehr als der Landesvorsitzende.

Willi Lemke erklärte den Genossen seine Bildungspolitik und suchte regelrecht die Zustimmung durch die Basis. Er forderte die Partei auf, sich mehr in die Politik einzumischen, „mehr sozialdemokratisches Profil“ zu zeigen. Die Gesamtschulen kaputt machen – nicht mit uns, rief er in den Saal – als ob das derzeit das akute Problem in der Bildungspolitik wäre. Über die Orientierungsstufe, die gerade in Niedersachsen von SPD-Bildungspolitikern zur Disposition gestellt wird, sagte er nichts, auch nicht zur Kontroverse um die Elite-Bildung in Schwachhausen.

Wolfgang Grotheer, der Vorsitzende des Unterbezirks Bremen-Stadt, fällt immer wieder durch kritische Stellungnahmen auf, die aber auf die Politik der großen Koalition wenig Einfluss haben. Auf dem Gebiet der Rennbahn in der Vahr – derzeit Streitpunkt in der Koalition – könnte man Wohnungen für 2.000 Menschen bauen, das wären nach den Berechnungen des Finanzsenators 12 Millionen Mark jährliche Steuersumme im Staatsetat, fügt er schmunzelnd hinzu. Das wäre also eine sinnvolle Sanierungs-Investition für Bremen. In die Rennbahn Steuergelder in Höhe von 28 Millionen Mark zu stecken sei keine Investition, sondern eine „fiskalisch unrentable“ Subvention.

Diese Sicht der Dinge hätte auf dem Parteitag sicherlich eine Mehrheit gehabt, aber es gab keinen Antrag dazu, der den Bürgermeister festgelegt hätte. Auch die Kritik an der Rennbahn ist nur Verhandlungsmasse, und Henning Scherf wünscht keine eindeutigen Parteibeschlüsse vor einer Sitzung des Koalitionsausschusses. K.W.