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Bahn AG spart doch

Keine Massenentlassungen und keine Streiks: Jetzt schnippelt Bahnchef Mehdorn an Urlaubs-und Weihnachtsgeld. Der Bund schaut zu

BERLIN rtr/ap/taz ■ Nachdem die Beteiligten das großen Chaos schon alleine abgewehrt hatten, fühlte sich Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt gestern nicht mehr zuständig: Die Deutsche Bahn AG und ihre Tarifpartner müssten alleine klar bekommen, wie sie den Ertrag des Unternehmen bis 2004 auf 8,4 Milliarden Mark steigern wollen, sagte er gestern – das ist die Vorgabe für den dann geplanten Börsengang. Es werde keine offenen oder verdeckten Subventionen wie einen halbierten Mehrwertsteuersatz geben. Im vergangenen Jahr hatte die Bahn ein Minus von 170 Millionen Mark gemacht.

Bahnchef Hartmut Mehdorn erklärte, auch nach der grundsätzlichen Einigung mit den Gewerkschaften bleibe es dabei, dass die Personalkosten binnen vier Jahren um 3,6 Milliarden Mark gekürzt werden müssten. Wie dieser Betrag sich zusammensetzt, müsse nun noch im Detail ausgehandelt werden. Wie die Bild am Sonntag berichtete, setzt Mehdorn offenbar auf Einschnitte beim Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie „Einzelfalllösungen“. „Überhöhte Zulagen“ aus der Behördenzeit vor 1994, für die eigentlich ein Bestandsschutz gilt, müssten bei kommenden Tariferhöhungen mit dem 13. Monatsgehalt verrechnet werden. Auch müsse die Arbeitszeit in vielen Bereichen gesenkt und die Arbeit auf mehr Menschen verteilt werden.

Bahnvorstand und Eisenbahnergewerkschaften hatten sich am Freitagabend in Köln nach zehnstündigen Verhandlungen darauf verständigt, dass es bis 2004 keine betriebsbedingten Kündigungen geben soll. Zuvor hatte der Bahnvorstand gefordert, das 1998 abgeschlossene Beschäftigungsbündnis mit einer Schonfrist bis 2002 zu „modifizieren“ sprich: zum Nachteil der Beschäftigten einen „Personalabbau über die normale Fluktuation hinaus“ zu ermöglichen. Nach der Einigung setzten die Gewerkschaften für Samstag angekündigte Warnstreiks aus.

Während die Chefs der Verkehrsgewerkschaft GDBA und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Klaus-Dieter Hommel und Manfred Schell, Zustimmung zu den Plänen signalisierten, forderte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdED), Norbert Hansen, den Bund auf, die Wettbewerbsnachteile für die Bahn zu beenden. Auch der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Albert Schmidt, sagte, die Bahn dürfe ihre Lage nicht allein durch Einsparungen verbessern. „Umsatzsteigerung muss vor allem auch bedeuten, mehr Geschäft, mehr Fahrgäste auf die Schiene zu holen.“

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