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Besuch bei Gaddafi

Eine US-Delegation hat in Libyen die Möglichkeiten zur Wiederaufnahme der Beziehungen ausgelotet

MADRID taz ■ Der „Schurkenstaat“ Libyen wird wieder hoffähig. Am Sonntag besuchte eine US-Delegation das nordafrikanische Land. Es handelte sich um den ersten Besuch US-amerikanischer Regierungsabgesandter, seit Washington vor neun Jahren die Beziehungen mit Tripolis in Folge des Attentats auf eine PanAm-Maschine über dem schottischen Lockerbie abbrach.

Das Land unter Führung von Muammar al-Gaddafi galt den USA als Auftraggeber des Anschlages, der 270 Menschen das Leben kostete. Washington untersagt seither seinen Bürgern, nach Libyen zu reisen. Die Delegation, deren Identität sowohl von Washington als auch von Tripolis geheim gehalten wird, traf sich nach Angaben des libyschen Regierungssprechers „mit politisch Verantwortlichen und Vertretern des libyschen Außenministeriums“.

Obwohl sich beide Seiten über die Ergebnisse der Gespräche ausschweigen, scheint klar, dass die USA den Zug erneuter wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit dem Maghrebland nicht verpassen wollen. In den letzten Monaten hatte das State Department immer wieder erklärt, dass Gaddafi – anders als früher – keine internationalen Terrorkommandos mehr unterstütze.

Mit seiner Annäherung an Tripolis reagiert Washington auf verschiedene europäische Initiativen. So hat Großbritannien im Juli vergangenen Jahres wieder offizielle diplomatische Beziehungen mit Tripolis aufgenommen. Und Italiens Regierungschef Massima D’Alema reiste im Dezember überraschend zum erdölreichen Nachbarn auf der anderen Seite des Mittelmeeres. Es war der erste Besuch eines westlichen Staatsmannes seit 1982. Seither vermittelt Rom immer wieder, wenn der zaghafte Dialog, den die EU mit Tripolis unterhält, ins Stocken gerät. So telfonierten D’Alema und Gaddafi zwei Tage nachdem EU-Kommissions-Präsident Romano Prodi Gerüchte dementieren ließ, denen zufolge eine offizielle Reise Gaddafis nach Brüssel unmittelbar bervorstehe.

„Für einen solchen Besuch muß Libyen zuerst die Grundsätze von Barcelona anerkennen“, begründete Prodi die Absage an Tripolis. D’Alemas telefonischer „Meinungsaustausch über beide Seiten betreffende Fragen“ mit Gaddafi zeigte Wirkung. Tripolis akzeptiere fortan die Grundsätze zur Zusammenarbeit aller Mittelmeeranrainer, verkündete der libysche Staatschef. Mit einer Ausnahme: Er möchte auch weiterhin Israel nicht anerkennen. „Ich bin dafür, dass wir einen Diskussionsprozess mit Libyen aufnehmen“, lautete dennoch die Antwort Prodis. REINER WANDLER

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