Renate Künast, die Vorzeige-Grüne

Als ewige Kandidatin verspottet, will die Fraktionschefin der Berliner Grünen jetzt an die Parteispitze

BERLIN taz ■ Sie redet so schnell und scharf, wie sie denkt: Renate Künast, eine von zwei Fraktionschefs der Hauptstadt-Grünen, gehört zu den wenigen herausragenden Persönlichkeiten der Berliner Landespolitik. Ihr hatte man schon immer mehr zugetraut, als sich nur um die Hundekotverordnung zu kümmern. Nach 20 Jahren Landespolitik wagt die Rechtsanwältin endlich den Sprung.

Im Gespräch für Höheres war sie schon oft: als Bundesjustizministerin, als EU-Kommissarin und bereits 1998 als Vorstandssprecherin der Grünen. Da hoffte sie noch auf einen Machtwechsel auch an der Spree – vergeblich. Die häufige Nennung ihres Namens hat sie seitdem schon fast politisch beschädigt: Jetzt musste sie springen.

Dass sie so lange zögerte, überraschte, denn Mut hat sie: In Recklinghausen 1955 geboren, musste sie sich gegen ihre Eltern – einen Kfz-Mechaniker und eine Hilfskrankenschwester – durchsetzen, um überhaupt Fachabitur machen zu dürfen. Sie studierte Sozialarbeit, arbeitete im Männerknast von Tegel und schaffte nebenher ihr Jura-Examen.

Politisiert im Schlamm des Hüttendorfes Gorleben, engagierte sie sich schon 1979, im Gründungsjahr der Grünen, für die Alternative Liste. In den turbulenten Jahren der rot-grünen Koalition in Berlin 1989/90 war sie Fraktionschefin ihrer Partei – während der Wiedervereinigung erwarb sie sich bei der Erarbeitung einer gemeinsamen Stadtverfassung auf allen politischen Seiten Respekt. Künast ist eine Vorzeige-Grüne.

In der Partei ordnet sie sich selbst als „Mitte-links“ ein, das ist realistisch. Sie wird sich wohl nicht so leicht in den Strömungen der Partei zerreiben lassen – und auch bundesweit so bekannt werden wie in Berlin: Dort konnte es sich ihre Partei im Herbst leisten, nur ihr Gesicht zu plakatieren, mit einer einzigen Aussage: „Wen sonst?“ PHILIPP GESSLER