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Die Schule fällt aus ...

... und Bochumer Gymnasien fahnden nach Ersatzlehrern – fieberhaft und oft vergeblich

von ANDREA BEHNKE

An 105 Unterrichtstagen fielen bei ihr 103 Stunden aus. Hanna Lerp, Schülerin des Lessing-Gymnasiums in Bochum, hat nachgezählt. Besonders betroffen sind Biologie und Englisch. „Da jetzt die Leistungskurswahlen anstehen, ist das wirklich blöd“, sorgt sich die 16-Jährige.

Rund 2.700 Stunden sind an dem Bochumer Gymnasium im letzten Schulhalbjahr ausgefallen, ebenso viele wurden vertreten. Das ist beileibe kein Einzelfall. „Freistunden“ stehen bundesweit auf dem Stundenplan (siehe Text unten). „Wir stoßen wirklich an unsere Grenzen“, bestätigt Schulleiter Peter-Josef Kurtenbach. Der Rektor muss mehrere Dauerkranke ersetzen. Das schafft er. Aber jede weitere Grippe bedeutet jetzt: Unterricht fällt aus.

Die Ersatzmittel reichen nur für den Kollegen in Namibia

Unterrichtsausfall bedeutet mehr, als lustige Freistunden zu haben. „Es trifft vor allem die, die Unterricht besonders nötig haben“, sagt der Düsseldorfer Schulpsychologe Heinz Hundertmark. Der Stoff wird anschließend schneller durchgezogen, auf spezielle Förderangebote wird keine Rücksicht genommen. „Vor allem für Kinder, die sich in der Schule schwerer tun“, so Hundertmark, „wird es dann eng.“

Grund genug für die Eltern, auf die Barrikaden zu gehen. In Bochum haben sie Bildungsministerin Gabriele Behler (SPD) einen offenen (Protest-)Brief geschrieben. Landesweit mobilisieren Eltern, weil sie befürchten, „dass die Kinder in einen Wissensrückstand geraten, der nicht aufzuholen ist“. Achim Henkel, Vater eines Sechstklässlers, findet etwas anderes schlimm: „Die Schülerinnen und Schüler nehmen den Unterricht nicht mehr ernst.“ Sie verlernen zu lernen. Folgt man dem Düsseldorfer Bildungsministerium, dann gibt es „so gut wie keinen strukturellen Unterrichtsausfall“. Für die Eltern- und Lehrerverbände ist das statistische Augenwischerei. Der Unterrichstausfall sei nur weniger deutlich sichtbar: Denn die Klassen wurden in den vergangenen Jahren vergrößert und die Stundentafeln gekürzt.

In der Tat hat sich das Bildungsministerium etwas einfallen lassen, um aus Fehlstunden wieder Schulstunden zu machen. Behler stellte neue Lehrer ein. Sie errichtete einen „Vertretungspool für Grundschulen“ und das Programm „Geld statt Stellen“. 200 Millionen Mark investiert Düsseldorf, um den Unterrichtsausfall zu reduzieren. Dennoch fallen nach wie vor Stunden aus – gerade an weiterführenden Schulen.

Was als „flexibles Vertretungsprogramm“ gehandelt wird, greift nämlich nur bei vorhersehbaren Engpässen. „,Geld statt Stellen‘ ist zum Beispiel bei Schwangerschaft ein brauchbares Instrument“, sagt Dieter Fleskes, Schulleiter des Heinrich-von-Kleist-Gymnasiums Bochum. Verlängert jedoch ein Lehrer sein ärztliches Attest von Woche zu Woche, nutzt auch das schönste Geld-statt-Stellen-Programm nichts.

„Mathe fällt zurzeit oft aus“, sagt Max Schulte-Limbeck aus der 7. „Da müssen wir zu Hause immer nacharbeiten.“ Dabei hat das Heinrich-von-Kleist-Gymnasium offiziell einen Stellenüberhang. „Das Paradoxe ist, dass Lehrkräfte und nicht deren Stundenzahl gezählt werden“, sagt der Schulleiter. Im Klartext: Als ganze Stelle wird auch gerechnet, wenn die Lehrerin oder der Lehrer nur die halbe Zeit arbeiten.

Eine Zählweise, die seltsame Blüten treibt: Ein Lehrer des Gymnasiums geht an eine Schule in Namibia, auch seine Vertretung wird aus dem „Geld statt Stellen“-Budget bezahlt – und schon ist der Sondertopf aufgebraucht.

Selbst wenn eine Stunde formell nicht ausfällt, heißt das noch lange nicht, dass tatsächlich Unterricht stattfindet. „Manchmal betreut ein Lehrer zwei Klassen gleichzeitig, und wir müssen uns selbst beschäftigen“, berichtet der 13-jährige David Kettler. Die Vertretung als Aufbewahrung.

In der Oberstufe wird ohnehin nur vertreten, wenn langfristig Unterricht ausfällt. Und auch dann nicht immer, wie Schülersprecher David Grzesiak sagt: „In drei Grundkursen, in Deutsch, Geschichte und Pädagogik, findet seit zwei Monaten kein regelmäßiger Unterricht statt.“ Die Zwölftklässler haben nun Furcht wegen ihrer Abiprüfungen: „Wenn so viel ausfällt, weiß man nicht, ob man den Anspruch erfüllen kann“, klagt Grzesiak.

Ansprüche, die auch im späteren Berufsleben gestellt werden. Die Hochschulen beklagen Wissenslücken bei Studienanfängerinnen und -anfängern. Und der Berufseinsteigertest 1999, den die Industrie- und Handelskammern kürzlich veröffentlichten, kommt zu dem Schluss: „Deutsch und Rechnen mangelhaft“.

SPD-Bildungsministerin Behler hat den Test sofort als „unseriös“ abqualifiziert. Im bevorstehenden Wahlkampf, in dem die Ex-Bundesbildungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) und Jürgen Möllemann (FDP) mit einer verlässlichen Schule werben, können Bildungslücken schnell zu Machtfragen werden.

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