Guatemalas Diktatoren leben nicht mehr sorglos

Spaniens Justiz ermittelt jetzt auch gegen frühere guatemaltekische Staatschefs wegen Menschenrechtsverletzungen an Indios

MADRID taz ■ Nach Pinochet und den argentinischen Militärs ermittelt die spanische Justiz jetzt auch gegen drei ehemalige Staatschefs Guatemalas sowie fünf weitere hohe Militärs. Guillermo Ruiz Polanco, Richter an der Audiencia Nacional, dem obersten spanischen Strafgerichtshof, ließ vorgestern abend eine Klage der guatemaltekischen Menschenrechtlerin und Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú zu. Dem Putschgeneral Oscar Humberto Mejías, der das mittelamerikanische Land von 1983 bis 1986 mit eiserner Hand regierte, sowie seinen beiden Vorgängern Fernando Romeo Lucas García und Efraín Ríos Montt wird Völkermord an den Maya-Indianern vorgeworfen. Unter der Ägide der Generäle hatte von 1962 bis 1996 der Krieg gegen indigene Bevölkerung und rebellische Landarbeiter seinen Höhepunkt.

In diesen 35 Jahren starben 150.000 Guatemalteken, 45.000 verschwanden. Nach Angaben der Stiftung Rigoberta Menchús waren 83 Prozent der Opfer Indios, obwohl diese nur die Hälfte der zehn Millionen Einwohner des Landes ausmachen. Klägerin Menchú beruft sich auf das neue spanische Strafrecht von 1995, nach dem Völkermord nicht verjährt, sondern international zu verfolgen ist. Dieser Paragraf kam schon gegen den chilenischen Exdiktator Pinochet und die argentinischen Militärs zur Anwendung. Menchú zeigt sich zuversichtlich, was die Beweislage angeht: „Diese Vorfälle sind auf nationaler Ebene unstrittig.“

Ein Untersuchungsbericht der nach dem Übergang zur Demokratie eingerichteten „Kommission zur geschichtlichen Aufklärung“ dokumentiert 42.200 Fälle von Menschenrechtsverletzungen in Guatemala. Insbesondere wollen sich die Kläger auf den Mord an 35 Indios am 31. Januar 1980 stützen. Die Gruppe von indigenen Landarbeitern besetzte damals die spanische Botschaft in Guatemala-Stadt, um auf ihre sozialen Forderungen aufmerksam zu machen. Die Polizei stürmte das Gebäude wenige Stunden später und steckte es in Brand, ohne die Besetzer vorher abziehen zu lassen. Unter den Toten war auch der spanische Botschaftssekretär.

Während Ríos Montt Immunität genießt, könnten Romeo Lucas und der mitangeklagte Exinnenminister Donaldo Álvarez Ruiz per internationalem Haftbefehl dingfest gemacht werden. Guatemalas Regierung reagierte sofort auf die Ermittlungen und brach ein 1997 von Spanien initiiertes Ausbildungsprojekt für eine demokratische, zivile Polizei ab. REINER WANDLER